hatten damit vermutlich wenig Erfolg. Nur wenige kannten die Nummer, die Munroe jetzt wählte. Das dazu gehörige Telefon hatte er immer dabei, und normalerweise meldete er sich jedes Mal sofort. Es war schon öfter vorgekommen, dass Logan komplett von der Bildfläche verschwunden war – was stets mit seinem eigenen Alptraum zusammenhing –, daher stieß Munroe irgendwann einen stummen Seufzer aus, suchte nach den Flugtickets, stellte fest, dass Bradford sie mitgenommen hatte, und versprach Kate, ihr die Daten per E-Mail zu schicken.
Als sie daraufhin ihr E-Mail-Postfach öffnete, entdeckte sie dort, so unglaublich es war, das letzte fehlende Puzzleteilchen, das die Gegenwart schlagartig in einem völlig anderen Licht erscheinen ließ, das alle Geschehnisse seit dem Tag, als sie Burbanks Auftrag angenommen hatte, erklärte und in einen Zusammenhang brachte. Jetzt starrte sie den Bildschirm an und musste zwinkern, während die unterschiedlichsten Dinge in ihrem Kopf umherwirbelten wie Baumwolltücher in einem Wäschetrockner: Erinnerungen, Gespräche, Bewusstsein und Verstehen. Sie scrollte noch einmal nach oben und las von vorne:
EMPFÄNGER :
[email protected] ABSENDER :
[email protected] BETREFF :Ich glaube, das solltest du dir ansehen
Michael,
ich kann dich nur per E-Mail kontaktieren. Die Fotos sprechen für sich, obwohl ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, was sie zu bedeuten haben. Gut möglich, dass du das schon gewusst hast – ich jedenfalls nicht.
Der Grund für den Anhang: Entgegen deinen Anweisungen wollte Kate ohne eine vollständige Aufstellung aller benötigten Gegenstände keinen Cent freigeben. Sie hat einfach nicht lockergelassen und hat sich dabei nicht nur ausgesprochen seltsam benommen, sondern mich richtig unter Druck gesetzt und schließlich mit juristischen Schritten gedroht. Ich weiß, dass du damit nichts zu tun hattest, auch wenn sie das behauptet hat. Aus diesen und anderen Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, habe ich angefangen, Kate zu beschatten.
Wenn du mich erreichen willst, ich habe eine neue Nummer … siehe Signatur
Munroe besah sich Foto um Foto. Kate Breeden und Richard Burbank. Jedes einzelne war eine Momentaufnahme, die keinen Zweifel daran ließ, dass ihre Beziehung sehr viel weiter ging, als es das Anwaltsgeheimnis vorsah. Für den Bruchteil eines Augenblicks wurde Munroes innere Ruhe von Zorn und dem stechenden Schmerz des Verrats überlagert, und es kam ihr vor, als würde ihr neu gefundenes Gleichgewicht sich in Luft auflösen. Doch sie hörte keine Stimmen. Es kam keine Angst auf, keine inneren Trommeln, lediglich beherrschte Wut und das Wissen, dass es etwas zu erledigen gab.
Sie wählte, und die Erleichterung, die sie beim Klang von Logans Stimme empfand, wurde eindeutig erwidert.
»Hast du meine E-Mail bekommen?«, fragte er.
»Ja, und ich brauche deine Hilfe«, sagte sie. »Ich bin gerade dabei, ein paar Dinge ins Rollen zu bringen, und es dauert noch ein bisschen, bevor ich wieder in die Staaten komme. Kate rechnet damit, dass ich demnächst in Houston auftauche. Wenn ich aber wegbleibe, versucht sie womöglich, sich aus dem Staub zu machen. Ich muss wissen, wo sie steckt, immer und überall. Kriegst du das hin?«
»Dafür hab ich bereits gesorgt.«
»Was ist mit Richard Burbank?«
»Für ihn gilt dasselbe.«
»Dein Instinkt hat sich ausgezahlt, Logan. Ich bin dir was schuldig, und zwar nicht zu knapp.«
»Michael, was zum Teufel ist denn los?«
Munroe seufzte. »Sie hat mich reingelegt.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung, gefolgt von einem Schwall an Schimpfwörtern. Als die Tirade zu Ende war, sagte Munroe: »Burbank hat mich als Mittel zum Zweck benutzt, und Kate hat ihm Informationen zugespielt, die das Ganze überhaupt erst möglich gemacht haben. Bleib vor Ort. Ich muss zuerst noch ein paar Dinge erledigen, aber in ungefähr einer Woche sehen wir uns wieder.«
»Wie lautet dein Plan? Was willst du wegen Kate unternehmen?«
»Das willst du gar nicht wissen. Glaub mir.«
Als Munroe das Hotel verließ, erwartete Bradford sie neben dem Taxi. Schweigend fuhren sie zum Flughafen. Nachdem sie eingecheckt hatten und wartend vor dem Gate standen, sagte Bradford: »Irgendetwas stimmt doch nicht, und ich wüsste gerne, was.«
Munroe lehnte den Kopf gegen die Wand, starrte zur Decke hinauf und stieß langsam den Atem aus. »Es geht gegen alle meine Instinkte, mit dir darüber zu reden«, sagte sie und dann