Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
dass er das Blut seiner Opfer getrunken hat, um sich ihre Kraft einzuverleiben. All diese Geschichten über Tod, Folter und die Verletzung von Menschenrechten sind so gut dokumentiert, dass sie sicherlich mehr sind als nur Gerüchte. Jedenfalls … angesichts des ganzen Aberglaubens, der sich um seine Person gerankt hat, bezweifle ich stark, dass ein Angehöriger seines Volkes ihn umgebracht hat. Nicht einmal Obiang, der, wie der staatliche Radiosender offiziell verkündet hat, jeden töten darf, ohne belangt zu werden, weil er tagtäglich Zwiesprache mit Gott hält.«
Nach einem kurzen Moment der Stille sagte Bradford: »Dann behaupten also der Volksglaube und die lokale Geschichtsschreibung, dass Nguema vor seinem Tod die Währungsreserven des Landes irgendwo vergraben hat. Und wo ist da der Zusammenhang zu Emilys Verschwinden?«
»Das bringt mich zur nächsten Frage. Wie gut kennen Sie die Protokolle der Gespräche mit Christof?«
»Nicht sehr gut.«
»Es gibt da einen Satz, den er gegenüber den Ermittlern und auch bei meinen Besuchen mehrfach geäußert hat: ›Wir sind da hingegangen, wo das Geld vergraben war.‹ Für sich genommen ergibt dieser Satz keinen Sinn, aber wenn man ihn mit der Geschichte des Landes und den Stempeln in seinem Reisepass in Zusammenhang bringt …« Sie deutete mit dem Finger auf den Tisch. »… Dann führt er uns genau hierhin.«
Bradford rieb sich mit den Handballen über die Augen und stieß einen langen Seufzer aus. »Ich verstehe jetzt, worauf Sie hinauswollen«, sagte er. »Aber woher soll Christof diese Legende kennen, und warum war ausgerechnet dieser Satz das Einzige, was er gesagt hat?«
»Das weiß ich nicht.«
Er lehnte sich zurück, bis die vorderen Stuhlbeine sich vom Boden hoben, faltete die Hände im Nacken und starrte zur Decke hinauf. Einen Augenblick später ließ er den Stuhl wieder auf den Boden sinken. »Also dann, wo ist denn nun Nguemas Heimatdorf?«
»Es heißt Nsangayong. Liegt auf dem Festland, im Osten, nahe der Grenze zu Gabun.«
»Und Sie glauben, dass sie dort irgendwo verschwunden sind?«
»Bestimmt nicht.«
Miles verengte die Augen zu Schlitzen und kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Er legte die Hände flach auf den Tisch. Munroe überlegte, ob er ihr womöglich gleich an die Gurgel gehen wollte. Dann schüttelte er leicht den Kopf, machte den Mund auf, als wollte er etwas sagen, klappte ihn aber sofort wieder zu. Schließlich sagte er: »Wenn nicht dort, wo das Geld vergraben wurde, wo dann?«
»Dort, wo die meisten annehmen würden, dass es vergraben wurde. Nsangayong ist ein nichtssagendes Nest und nicht einmal auf sehr guten Landkarten zu finden. Ich würde auf Mongomo tippen, das Dorf, aus dem der gegenwärtige Präsident stammt. Es ist deutlich größer als Nsangayong und liegt nur wenige Kilometer nördlich davon. Außerdem glauben die meisten, dass Macías Nguema auch von dort stammt.«
Bradford nahm sein Ticket und blätterte die klobigen Seiten um. »Aber wir fliegen nach Malabo, auf die Insel. Das ist doch ein Umweg.«
Sie lächelte. »Ja und nein. Von hier aus kommt man nur über Land oder per Schiff auf das Festland von Äquatorialguinea. Regelmäßige Verbindungen gibt es sowieso nicht. Es wäre also so oder so eine ziemlich aufwändige und schwierige Reise. Aber von Malabo aus können wir einen Inlandsflug buchen. Außerdem … jeder, der in diesem Land irgendetwas zu sagen hat, sieht zu, dass er so oft wie möglich in Malabo ist. Dort sitzen auch sämtliche Regierungsbehörden. Ich würde gerne noch ein paar wichtige Leute sprechen, bevor wir uns auf den Weg in die hintersten Winkel des Festlandes machen.«
Bradford gab dem Kellner ein Zeichen und bestellte sich noch etwas zu trinken. Er wandte sich Munroe zu und nickte anerkennend. »Dann gibt es also deutliche Signale in diese Richtung. Nicht schlecht für eine Woche Arbeit.«
»Es kann nicht schaden, ein bisschen über das Land und seine Geschichte Bescheid zu wissen«, sagte sie. »Miles, sind Sie eigentlich verheiratet?«
Zuerst lachte er, hörte aber sofort wieder auf, als er merkte, dass es ihr ernst war. »Zweimal geschieden, aber die zweite Ehe hat nur acht Monate gehalten, die zählt also kaum. Wieso, wollen Sie mich anbaggern?«
Sie grinste. »Sollte ich mich je entschließen, Sie anzubaggern, werden Sie garantiert keine Zweifel daran haben. Nein, im Ernst, Miles. Falls es in Ihrem Leben Menschen gibt, die Ihnen etwas bedeuten, dann rufen
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