Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)

Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)

Titel: Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
Vom Netzwerk:
war sie tot.
    Mit dem Rücken zu ihr stand er da und machte sein Boot los. Wenn er bei diesem Wetter losfahren wollte, war er voll und ganz damit beschäftigt, so schnell wie möglich wegzukommen. Daher riskierte sie es und schob sich noch dichter an ihn heran, so weit, bis sie ihn klar und deutlich erkennen konnte. Zielte. Drückte ab.
    Der Schuss hallte durch die Stille des Dschungels wie der herannahende Donner.
    Der Pfeil traf Pieter genau zwischen den Schulterblättern. Er stolperte und fiel auf die Knie. Als sie sicher war, dass die Wirkung eingesetzt hatte, kam sie näher, gab nur zur Sicherheit noch einen zweiten Schuss ab und stellte sich dann über ihn, die Füße zu beiden Seiten seines Körpers. Er verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Sie zog ihr Messer und zögerte kurz. In schrillen Schreien jagten ihr die Worte des Alten Testaments durch den Kopf. Du sollst nicht töten .
    Sie riss seinen Kopf zurück, kniete sich auf seine Brust und schlitzte ihm die Kehle auf. Das Blut pulsierte aus seinen Adern wie aus einem defekten Springbrunnen, besudelte sie. Sie sah ihn verbluten und spürte nichts, nicht das Geringste. Dann ließ sie seinen Kopf zu Boden sinken, stellte sich über ihn und flüsterte: »Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, dass einer angenehm sei, dazu hilft nicht, dass er etwas gut kann, sondern alles liegt an Zeit und Glück.«
    Sie konnte ihn nicht hier auf dem Pfad liegen lassen. Am besten schleifte sie ihn ein Stück in den Dschungel und überließ ihn den Tieren. Sie sah sich sein Boot an, sah nach, wie viel Benzin er an Bord hatte. Wenn sie alle Reservekanister leer machte, dann würde es bis Douala reichen. Sie ließ den Motor an und lenkte das Boot stromaufwärts. Wenn Pieter Willem nicht mehr da war, würde auch keiner das Boot vermissen. Sie musste abwägen, musste sich überlegen, welche Möglichkeiten es gab.
    Nun fing es an zu regnen. Zunächst nur in trägen, großen Tropfen, dann begann es zu schütten, immer heftiger, bis sie nur noch Nadelstiche spürte. Als sie schließlich wieder ins Lager gekrochen kam, klatschnass und triefend, da hatte die Dunkelheit den Dschungel schon längst umfangen. Kein Blut klebte mehr an ihrem Körper. Sie streifte die nassen Kleider ab und kletterte durch das Moskitonetz in ihr Bett, wo sie sich wie ein Embryo zusammenrollte und herzzerreißend anfing zu schluchzen.
    Als Munroe endlich aufstand und das Dach verließ, waren bereits die ersten violetten Streifen der Morgenröte am Himmel zu sehen. Auf den Straßen der Stadt herrschte emsiges Gewimmel, und der Tag war schon in vollem Gang. Ihre inneren Stimmen waren zu einem leisen Flüstern geworden – waren ausgeblutet im Verlauf der Nacht.
    Wie viele Bibelstellen schwappten eigentlich durch ihren Kopf? Sie konnte sie schon lange nicht mehr zählen. Für jeden einzelnen Vers, der den Weg an die Oberfläche ihres Bewusstsein fand, konnte sie sich bei ihrem Vater bedanken – oder ihn verfluchen. Vater . Früher hatte sie Ehrfurcht empfunden, Inspiration, vielleicht sogar Liebe, aber immer die Sehnsucht nach seiner Anerkennung, die nur in kleinen Dosen und zu bestimmten Bedingungen zu haben war. Er war nur selten da gewesen, und wenn, dann schien sein einziges Interesse der Heiligen Schrift zu gelten. Deswegen hatte sie sie gelesen, sie auswendig gelernt und sie, wie der Affe eines Leierkastenmannes, zitiert, um dafür Aufmerksamkeit und Lob einzuheimsen. Mutter war auch nicht viel besser, war letztendlich zur Alkoholikerin geworden.
    Das Leben in Afrika sei stumpfsinnig, hatte ihre Mutter einmal gesagt, wie ein träger Ventilator, der ständig heiße, abgestandene Luft im Kreis rührt. Zeit hatte keinerlei Bedeutung mehr. Der Mangel an Freizeitbeschäftigungen und jeder Annehmlichkeit sowie die fehlende Infrastruktur machten das Leben noch schwerer zu ertragen.
    Es gab jede Menge Dinge aus der Vergangenheit, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, aber eines wusste sie ganz genau: Als ihre Eltern schon im mittleren Alter gewesen und zu Missionaren in Kamerun berufen worden waren, da hatten sie ganz bestimmt nicht mit einem weiteren Kind gerechnet. Wenn man in solch einem Zusammenhang überhaupt von einem Unfall sprechen konnte, dann war sie das beste Beispiel dafür.
    Und so war sie wild und ungebändigt aufgewachsen, mit den Kindern der Einheimischen als Spielgefährten und den lehmigen Straßen, die sich durch das kleine, hügelige

Weitere Kostenlose Bücher