Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
voller historischer Begebenheiten und Legenden waren.
Es war fast schon Mittag, als der Minister eintraf. Er kam dieses Mal ohne Begleitung, und als er an Munroe und Bradford vorbeikam, nickte er ihnen zu. Kurze Zeit später dirigierte seine Sekretärin die beiden zu der geschlossenen Bürotür, während die ältere Frau auf dem Sofa sitzen blieb, schweigend, ohne zu protestieren, obwohl doch eigentlich sie als Erstes an der Reihe gewesen wäre.
Der Minister empfing sie, ohne sich von seinem Stuhl hinter dem ausladenden Holzschreibtisch zu erheben. Sein Händedruck war genauso weich wie seine Hände, und er trug einen maßgeschneiderten italienischen Anzug. Er sprach Englisch, und seine Stimme klang trocken und rau. Er deutete auf die Sessel vor seinem Schreibtisch. Sie waren plüschig und alt und der dunkelrote Samtbezug schon reichlich abgenutzt.
Nachdem sie die Höflichkeiten und die umfassenden Demutsgesten und den Lobpreis der Republik Äquatorialguinea erfolgreich hinter sich gebracht hatten, reichte Munroe ihm ein Foto von Emily Burbank, gefolgt von einem Blatt Papier mit einer Beschreibung Emilys. »Wir sind auf der Suche nach einer Freundin«, sagte sie. »Sie wird schon seit einer Weile vermisst, und wir haben Grund zu der Annahme, dass sie sich in Río Muni aufhält oder aufgehalten hat, möglicherweise irgendwo in der Umgebung von Mongomo. Wir schätzen die Verlässlichkeit Ihrer Regierung und wissen, welche Fürsorge Sie gegenüber ausländischen Besuchern an den Tag legen. Darum, Euer Exzellenz, sind wir in der Hoffnung zu Ihnen gekommen, dass Sie etwas über den Verbleib unserer Freundin wissen, dass Sie vielleicht etwas gehört haben. Daher kommen wir zuerst zu Ihnen, bevor wir uns selbst auf die Suche machen.«
Er nahm das Foto in die Hand, betrachtete es lange und ausführlich, dann wurde sein Blick desinteressiert. Er sagte: »Wann genau ist sie hier eingereist?«
»Das genaue Datum kennen wir nicht«, entgegnete Munroe. »Aber es ist ungefähr vier Jahre her.«
»Vier Jahre sind eine lange Zeit«, meinte er. »In vier Jahren kann viel geschehen. Vor vier Jahren war ich noch nicht einmal an der Spitze dieses Ministeriums.«
»Ich verstehe.«
»Und warum ist sie hierhergekommen? Für welche Firma hat sie gearbeitet, oder war es vielleicht eine Kirche?«
»Sie war als Touristin unterwegs«, lautete Munroes Antwort. »Zumindest nach allem, was wir wissen.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich das behalte?«, sagte er und steckte das Foto, ohne eine Antwort abzuwarten, zusammen mit der Beschreibung in seine Brusttasche. Dann ließ er sich gegen die Stuhllehne sinken. »Im Augenblick fällt mir dazu nichts ein, und ich will Ihnen nichts versprechen, aber ich kann meine Leute bitten, sich der Sache anzunehmen. Dann bekommen Sie eine Antwort. Ich schlage vor, Sie kommen morgen früh wieder her. Ich werde gegen neun Uhr im Büro sein.«
Sie gingen die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss, direkt vor dem Zentrum des Gebäudes, stand der H2 des Ministers, schwarz und glänzend. Munroe blieb davor stehen und betrachtete ihr Spiegelbild in einem der Fenster.
»Ich wette, es gibt im ganzen Land kein zweites Fahrzeug von dieser Sorte.«
»Spielt das eine Rolle?«, erwiderte Bradford.
Munroe zuckte mit den Schultern. »Für Sie und für mich nicht. Für den Besitzer irgendwann schon, wenn er Ersatzteile braucht. Aber für wen das am ehesten eine Rolle spielt, das ist die Frau auf dem Vinyl-Sofa da oben, die auf eine Audienz beim Minister wartet, bei einem Mann, der vor der Entdeckung der Erdölvorkommen genauso arm war wie sie.« Sie wandte sich von dem Hummer ab und ging in Richtung Straße. »Und er ist ohne Fahrer gekommen«, sagte sie.
»Ich nehme an, das hat etwas zu bedeuten?«
»Ja«, sagte sie, fast wie zu sich selbst. Sie blieb stehen und drehte sich noch einmal um, dann starrte sie kurz auf den Boden. Schließlich sagte sie: »Wichtige Persönlichkeiten lassen sich nur selten ohne Entourage oder zumindest einen Fahrer in der Öffentlichkeit blicken. Gestern ist der Präsident in der Stadt angekommen, das heißt, dass der Großteil seiner kriecherischen Minister heute gar nicht bei der Arbeit erschienen ist.« Sie verstummte. »Er ist alleine gekommen.« Noch eine Pause. »Wissen Sie was? Gut möglich, dass er nur wegen uns da war.«
Am frühen Abend setzte der Regen ein, und es goss die ganze Nacht in Strömen. Dicke, schwere Tropfen prasselten auf die Dächer und übertönten jedes andere
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