Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
eine Totenfeier, eine Bestattung, wenn der Verstorbene Glück hat, und das war’s. Wenn Sie beim Staat eine Sterbeurkunde beantragen, lautet die große Frage: Wozu?«
»Aber wir haben doch eine solche Urkunde bekommen?«
Sie nickte. »Dazu komme ich gleich. Dieses Dokument ist nichts weiter als eine Litanei voller Rechtschreibfehler, die bestätigt, dass die namentlich genannte Person in der Republik Äquatorialguinea verstorben ist.« Sie deutete auf das Papier. »Aber ansonsten keinerlei Angaben. Hier steht nicht einmal, wo es passiert ist oder welche Staatsangehörigkeit sie gehabt hat. Wir sollten bei all den Mängeln nicht vergessen, dass das Land zehn Jahre unter kommunistischer Herrschaft gestanden hat. Überflüssiger Papierkram und bürokratischer Nonsens sind nach wie vor eine echte Stärke dieser Regierung, ganz egal unter welcher Flagge. Das Mindeste, was man erwarten könnte, wäre doch ein Hinweis darauf, ob sie auf dem Festland oder auf der Insel gestorben ist.«
»Hören Sie, Michael«, sagte er. »Ich möchte Ihnen ja glauben, viel mehr, als Sie sich wahrscheinlich vorstellen können, aber warum gibt es dieses Dokument dann überhaupt? Hätten sie denn nicht einfach behaupten können, dass sie keine Ahnung haben, was wir von ihnen wollen?«
»Dafür kann es mehrere Gründe geben«, sagte sie, »aber die folgende Erklärung halte ich für die wahrscheinlichste: Dieses Papier beweist nicht einmal, dass Emily je im Land war. Ihren Namen haben sie von uns, den haben sie einfach von dem Blatt mit den biografischen Angaben abgeschrieben, das wir Mba im Ministerium gegeben haben. Dieses Stück Papier hier beweist lediglich, dass irgendjemand, der eine Ausbildung im Ausland genossen hat und weiß, was ein Totenschein für Leute wie uns bedeutet, verhindern will, dass wir auf dem Festland herumschnüffeln. In der Hoffnung, dass er uns damit dazu bringt, nach Hause zu fahren.«
Munroe steckte den Totenschein in den Ziploc-Beutel, in dem auch ihr Reisepass lag, und den sie in einem versteckten Gürtel unter ihrer Hose trug.
»Miles, von jetzt an wird es richtig gefährlich. Man hat uns gedroht, und wenn wir nicht aufpassen, macht irgendjemand diese Drohung wahr. Vielleicht sollten Sie lieber Burbank anrufen und ihn fragen, ob er Sie aus dem Kontrakt entlässt.«
»Ich bleibe«, sagte er. »Was kommt als Nächstes?«
»Wir müssen so schnell wie möglich aus der Stadt verschwinden, am besten in Richtung Festland.« Sie blickte auf ihre Armbanduhr. »Wir haben noch ein bisschen Zeit, bis der GEASA -Schalter schließt.«
Wie die meisten Geschäfte in der Stadt lag auch die Zentrale der äquatorialguineischen Fluggesellschaft im Erdgeschoss eines dreistöckigen Gebäudes. Das Büro war klein, dunkel, feucht und leer, abgesehen von je einem Schreibtisch auf jeder Seite des Raumes. Zwei Personen befanden sich im Büro. Zum einen eine Sekretärin, zum anderen ein wichtigerer Angestellter, der ihr Geld entgegennahm und von Hand ihre Tickets ausstellte. Die ganze Transaktion war nach einer Viertelstunde beendet. Sie würden den ersten Flug morgen früh nehmen.
Auf dem Weg nach draußen reichte Munroe Miles sein Ticket. »Ein Flug nach Bata ist ein bisschen wie Russisches Roulette«, sagte sie. »Im wahrsten Sinn des Wortes. Die haben hier nur alte russische Maschinen, die überhaupt nicht gewartet werden. Sie werden bis zum Gehtnichtmehr vollgestopft und so lange geflogen, bis sie abstürzen – normalerweise ins Meer. Hoffen wir mal, dass das nicht ausgerechnet morgen passiert.«
Munroe hielt plötzlich mitten in der Bewegung inne und blickte suchend in beide Richtungen die Straße entlang, zwischen den Fußgängern und dem stetig dahinfließenden Autoverkehr hindurch. Bradford folgte ihren Blicken.
»Sind die Beschatter uns hierher gefolgt?«, fragte er.
»Da war ich mir eigentlich sicher«, erwiderte sie.
»Ich mir auch.«
»Ob sie mittlerweile so gut geworden sind, dass wir sie nicht mehr bemerken?«
»Das bezweifle ich«, meinte er.
»Ich auch.«
Munroe und Bradford gingen zurück zum Hotel und hofften, einen ihrer Beschatter zu entdecken, hofften, erleichtert feststellen zu können, dass alles normal war, doch stattdessen mussten sie sich eingestehen, dass sie allein waren.
Beim Abendessen sprachen sie kaum miteinander, und zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in der Stadt nahm Munroe einen Hauch von Gefahr wahr. Nicht in Form von Worten, sondern in der Stille, in den unausgesprochenen Dingen, im
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