Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
gezeichnet. Die kleinsten waren Pirogen, schmale, langgestreckte Holzboote, manche mit Außenbordern und andere nicht. Ein paar besaßen auch ein Segel und das größte, drei Meter lang, einen fast neuen Außenbordmotor. Sie umkreiste es, ließ die Hände über den Rumpf gleiten. Es war zwar groß genug, um genügend Treibstoff zu bunkern, aber nicht stabil genug, um eine Fahrt auf dem offenen Meer zu überstehen.
Schweigend entfernte sie sich ein Stück von den anderen, stellte sich dicht an die brechenden Wellen. Sie hob ein paar Kieselsteine auf und schleuderte sie rasch hintereinander in die Brecher, versuchte, die langsam größer werdende Welle der Wut zu besänftigen. Sie saß in der Falle auf dieser Insel, als Gefangene, verlor sinnlos Zeit. Also musste sie doch das Risiko eingehen und nach Malabo zurückkehren, um sich von dort auf das Festland durchzuschlagen. Der Flughafen stand nicht zur Debatte, genauso wenig wie der Hafen. Sie starrte auf die Lichtmuster oben am schwarzen Himmel und zwang eine Lösung herbei.
Es gab noch eine andere Möglichkeit. Boniface Akambe hatte gesagt, er sei irgendwo bei Ureca anzutreffen. Sie hätte ihn sehr gerne gesehen, ja, aber nicht unter diesen Umständen. Andererseits … wenn man nur eingeschränkte Möglichkeiten besaß, musste man mit dem Vorlieb nehmen, was da war. Sie handelte mit einem Bootsbesitzer eine Fahrt ans Südende der Insel aus.
Von dort aus würde sie sich nach Ureca durchschlagen. Dieser isoliert gelegene Ort war vor allem für die Meeresschildkröten bekannt, die Jahr für Jahr an die dortigen Strände zurückkehrten, um ihre Eier in den Sand zu legen. Die Umweltschützer hatten Wilderer und Eierdiebe ausgetrickst, indem sie den Einheimischen Geld gaben, damit diese in der Brutzeit die Strände bewachten. Das Dorf war nur über das Meer erreichbar … oder auf einer dreizehn-stündigen Dschungelwanderung zwischen dem Naturreservat der Caldera de Luba und dem Pico Biao hindurch.
Irgendwo dort würde sie Francisco Beyard aufstöbern.
Als die Sonne bereits die ersten Strahlen über die Bergspitze schickte, kam der Bootsbesitzer aus der Stadt zurück. Er brachte Ersatzkanister mit Benzin, Trinkwasser und ein Stück Stoff mit, das als Plane dienen würde. Zwei Jungen halfen ihm, alle möglichen Dinge in das Boot zu packen, die mit dem eigentlichen Anlass der Fahrt gar nichts zu tun hatten, irgendwelche Waren, die der Bootsmann in Ureca zum Tausch und zum Verkauf anbieten wollte, um sich noch einen kleinen Zusatzverdienst zu verschaffen.
Die Fahrt verlief mehr oder weniger schweigend. Sie hielten sich dicht an der Küste, umrundeten den breitesten Inselteil. Gelegentlich unterbrach ein Dorf die grüne Monotonie, die irgendwo in weiter Ferne in das unendliche Blau überging. Munroe fiel unter der Plane in einen unruhigen Schlaf, wurde abwechselnd vom regelmäßigen Auf und Ab des Bootes in den Schlummer gewiegt, um bei dem Gedanken an ein Wiedersehen mit Beyard wieder aufzuschrecken.
Wie würde sie ihm begegnen, wie konnte sie ihn dazu bringen ihr zu helfen? Geld würde wahrscheinlich am ehesten seinen Zweck erfüllen. Aber wenn nicht, was dann? Der Appell an eine vergangene Freundschaft, die sie zerstört hatte, als sie plötzlich und spurlos verschwunden war? Wenn er sie nicht von der Insel wegbrachte, was war die Alternative? Ein grausam anstrengender Fußmarsch nach Luba und eine Rückkehr in die Hauptstadt, ständig begleitet von der Furcht, für immer in dem berühmt-berüchtigten Gefängnis namens Black Beach Prison zu stranden.
Francisco Beyard war ein Risiko, das sich einzugehen lohnte.
Die menschlichen Spuren am Ufer sowie der charakteristische Felsen, der unvermittelt wie ein einsamer Obelisk sieben Meter hoch aus dem verlassenen Strand emporragte, zeigten an, dass sie Ureca erreicht hatten. Der Bootsmann brachte das Boot so dicht wie möglich ans Ufer, klappte den Motor nach oben, und dann schoben er und Munroe – mit zusammengebissenen Zähnen wegen der Schmerzen in ihrem Arm – es noch zehn Meter durch die seichten Wellen, bis es sicher auf dem trockenen Strand lag. Der Sand war weich und tiefbraun, ganz anders als die porösen Steine und die schwarzen Felsen, die das Westufer säumten.
Ein paar kleine Jungen ohne Hemd und ohne Schuhe spielten in der Nähe und kamen zur Begrüßung herbeigerannt. Der Bootsmann bellte ihnen ein paar Befehle zu und verteilte ein bisschen wertlosen Trödel. Sie schnappten sich seine Warenbündel und
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