Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
beiseitegedrückte Zweige erkennbar war. Sie ging in die Knie und befühlte die Erde. Sie war feucht und schwer, vollgesogen mit Wasser. Die Fußabdrücke waren frisch. Der Pfad führte ins Landesinnere und endete nach gut fünfhundert Metern auf einer kleinen Lichtung mit drei Hütten.
Die größte war ein Blockhaus vergleichbar denen im Norden der Insel, die beiden anderen bestanden aus Lehmflechtwerk. Auf dem Dach war nicht nur rostiges Wellblech zu erkennen, sondern auch ein paar Solarmodule, und die Stromkabel, die aus einem der kleineren Häuser hervorkamen, deuteten auf einen Generator hin. Die Eingangsterrasse des Haupthauses war rundherum mit Planen gegen die Sonneneinstrahlung geschützt und seitlich davon dösten zwei junge Männer im Schatten vor sich hin.
Munroe kam näher, doch sie rührten sich nicht. Sie ging neben ihnen in die Knie und sagte in ihrer Sprache und mit sanfter Stimme: »Entschuldigung.«
Eigentlich hatte sie nicht die Absicht gehabt, die Männer zu erschrecken, aber das war ihr angesichts der verängstigten Mienen der beiden ganz offensichtlich gründlich misslungen. Sie sagte auf Spanisch: »Ich suche den Händler.« Und als sie in ihren Gesichtern bestätigt sah, wer der Besitzer dieses Grundstückes war, fügte sie hinzu: »Ist er zu Hause?«
Der Kleinere der beiden schüttelte den Kopf und sagte: »Er kommt erst am Abend zurück.«
»Gut.« Sie lächelte. »Ich warte da drin auf ihn.«
Munroe gab dem Bootsmann den Rest des Geldes und dazu exakte, wortwörtliche Instruktionen, was er sagen sollte, falls ihn irgendjemand nach dem Zweck ihres Besuchs in dieser Gegend der Insel fragte.
Dann wurde es still. Sie wandte sich dem Haus zu, zog die Fliegengittertür auf und trat ein. Die jungen Männer schauten ihr desinteressiert dabei zu. Wie im Zeitraffer schwirrten Erinnerungen durch ihren Kopf.
Ein anderes Leben.
Sie kam direkt ins Wohnzimmer, einen offenen Raum, der über den kleinen Grundriss des Hauses hinwegtäuschte. Er wirkte kahl und leer. Die Gipswände waren weiß verputzt, und die Einrichtung bestand aus einem roh gezimmerten Sofa und zwei Stühlen. Der Betonfußboden war braun gestrichen, und überall war es makellos sauber, erinnerte irgendwie an die Sterilität einer gut geführten Klinik. Die Fensterläden waren geschlossen, die Luft war heiß und stickig. Sie wollte den Ventilator einschalten. Es gab keinen Strom.
Vom Wohnzimmer aus gelangte man in einen kleinen Flur, und durch eine offenstehende Tür konnte sie einen Blick in die Küche werfen. Sie legte sich auf das Sofa und widerstand der Versuchung, sich umzusehen. Sie hatte zwar sein Haus betreten, aber manche Dinge blieben dennoch unantastbar. Ihre Augenlider wurden schwer, und sie wurde in den Schlaf hinabgezogen.
Rufe drangen durch den Nebel, der ihr Bewusstsein umhüllte. Ihr war klar, dass Zeit vergangen war, aber sie wusste nicht wie viel. Sie zwang sich aufzuwachen, wollte sich aus dem klebrigen Schleier des Schlafs befreien. Doch die Hitze und die Erschöpfung hielten sie fest und zerrten sie wieder zurück.
Dann erklang das tiefe Dröhnen eines Generators und spaltete die Stille in zwei Teile, übertönte die Stimmen der Menschen. Die Lampen im Zimmer flackerten kurz und verströmten dann eine gleichmäßige Helligkeit. Die Ventilatoren nahmen ihre Arbeit auf und ließen eine leichte Brise durch die abgestandene Luft wehen. Die Temperaturen waren gesunken, und die Abenddämmerung hatte eingesetzt. Draußen waren jetzt Moskitos in großer Zahl unterwegs, wurden nur durch die Netze vor den Fenstern in Schach gehalten.
Schritte auf der Eingangsterrasse, dann erneutes Gebrüll. Die Stimme kam ihr bekannt vor. Sie war jetzt wach und fühlte sich unwohl. Veränderte ihre Lage auf dem Sofa. Die Haustür schwang auf und schlug ins Schloss. Er stürmte ins Zimmer und dann, nachdem er sie gesehen hatte, erstarrte er mitten in der Bewegung und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren.
Kapitel 11
Beyard richtete sich auf, dann starrte er sie einen Augenblick lang nur an. »Hallo, Essa«, sagte er schließlich. Seine Worte ließen zahlreiche verschiedene Akzente erahnen. Der Schock, der sich in den ersten Momenten auf seinem Gesicht abgezeichnet hatte, wich allmählich einem gewissen Gleichmut.
Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen ging er in die Küche und sagte: »Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?«
»Ja, bitte«, rief sie ihm hinterher. »Einfach nur Wasser.«
Schranktüren
Weitere Kostenlose Bücher