Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
Welt, und wie damals würde es auch hier und heute keine Diskussion darüber geben, nach wessen Vorstellungen das Ganze abzulaufen hatte. Beyard war kein Laufbursche, und das Kommando abzugeben war der Preis, den sie für seine Beteiligung zu zahlen hatte.
Und dann tauchte das rot-weiße Antlitz der Stadt Bata schemenhaft am Horizont auf. Sie fuhren daran vorbei, noch etliche Kilometer weiter nach Süden, bis sie vom Hafen aus nicht mehr gesehen werden konnten, und legten bei einem von Beyards Grundstücken an, um das Boot gegen ein Landfahrzeug einzutauschen.
Das Holz des Anlegers war weich und verwittert, ruhte aber sicher auf soliden, tief in den Untergrund getriebenen Pfählen. Er führte vom hinteren Ende eines gepflegten Grundstücks über den Sandstrand hinweg und ragte gut fünfzehn Meter weit ins Wasser. Ein kleines Fischerboot war daran festgemacht, noch ganz roh und neu. Beyard dirigierte das Schnellboot auf die andere Seite des Anlegers und sprang, die Leinen in der Hand, mit einem selbstsicheren Satz aus dem Boot.
Das Haus stand auf einem Grundstück von einem knappen Hektar Fläche. Es besaß nur ein Stockwerk, wirkte aber sehr weitläufig und schien regelrecht mit dem üppigen Pflanzenreichtum der Umgebung zu verschmelzen. Eine Frau trat aus der Hintertür und kam ihnen entgegen. Ihre Haut war hellbraun, ihre Züge weich und ebenmäßig. Am Zipfel ihres knöchellangen Rockes taperte ein kleines Kind, das sich kaum auf den Beinen halten konnte. Sie lächelte herzlich und begrüßte Beyard mit einer vertrauten Umarmung. Bei der ganzen Planerei im Verlauf des Nachmittags hatte Beyard ganz vergessen, eine Frau oder ein Kind zu erwähnen, doch als sie Munroe mit der Gelassenheit einer Gleichrangigen begrüßte, schob Munroe jede Feindseligkeit beiseite und setzte ihre Maske der Höflichkeit auf.
Die Frau lächelte bei jedem von Beyards Worten, und die knisternde Spannung zwischen den beiden verriet eine Geschichte, die über das rein Platonische weit hinausging. Beyard ging vor dem Kind in die Knie, sodass er auf Augenhöhe war, kitzelte ihm den rundlichen Bauch, nahm den Kleinen in die Arme und warf ihn in die Luft. Schallendes Gelächter tönte über das Grundstück, obwohl Munroe nichts anderes hörte als das wilde Pochen ihres Blutes. Wie gelähmt, das künstliche Lächeln fest ins Gesicht gemeißelt, so stand sie da.
Beyard setzte den Kleinen wieder ab und wandte sich an Munroe. Er bewegte den Mund, und sie zwang sich, die dazugehörigen Laute wahrzunehmen. »Das ist Antonia«, sagte er gerade. »Sie wohnt hier, zusammen mit ihrem Mann und den drei Kindern. Das Haus und das Land gehört ihnen, es sei denn, ich bin gerade zufällig in der Stadt.« Mit dem Kopf deutete er am Haus vorbei. »Am hinteren Ende des Grundstücks steht ein Gästehaus. Dort werden wir die Nacht verbringen.«
Das Gästehaus war nur mit dem Notwendigsten ausgestattet. Es besaß zwei Zimmer: ein Schlafzimmer mit einem direkt anschließenden, kleinen Badezimmer sowie einen größeren Raum, der auf der einen Seite Wohnzimmer und auf der anderen Seite Küche war, unterteilt von einem Tisch mit vier Sitzplätzen. Es war nicht klimatisiert, aber die hohen Decken und eine leichte, gleichmäßige Brise milderten die hohe Luftfeuchtigkeit ein wenig ab.
Während sie duschten, wurde es dunkel; dann brachte Antonia – und nicht etwa eine der Bediensteten – ihnen etwas zu essen. Munroe war gerade im Schlafzimmer, als sie das Haus betrat. Hinter der geschlossenen Tür waren Bruchstücke eines gedämpften Gesprächs zu hören. Längere Schweigepausen. Zögern. Dann fiel die Haustür ins Schloss, und Beyard und die Frau waren verschwunden. Erst jetzt merkte Munroe, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie spürte einen Stich Selbstverachtung.
Das Gefühl, das sie jetzt empfand, war ein Verstoß gegen die elementarste Grundregel des Überlebens: Es verdrehte den Verstand, vernebelte die Logik, musste ausgemerzt werden. Munroe atmete einmal tief durch. Sie musste sich selbst wieder in den Griff bekommen, und dazu musste sie sich innerlich abschotten. Noch ein Atemzug, dann schloss sie die Augen. Wider besseres Wissen, entgegen ihrer eigentlichen Überzeugung kämpfte sie gegen ihr Vorhaben an, argumentierte dagegen, und schließlich verschob sie es auf später. Beyard gehörte zu einer seltenen Gattung. Er war ihr ebenbürtig, ein Mann, der sowohl die Fähigkeit als auch die Motivation besaß, um sie und ihren Auftrag zu zerstören. Er
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