Mission Spyflight
Gelände herum ist unversehrt, das Tor ebenfalls. Lässt sich daraus ein anderer Schluss ziehen als der unmöglichste von allen?«
Der Oberingenieur wirkte verwirrt. »Wenn der Junge nicht zu schwer ist, hat er sich theoretisch auf das Landegestell legen und die Fernsteuerung nehmen können und …«
»Theoretisch
und praktisch
!«, brüllte Sabalin. »Macht den Helikopter startklar, und zwar schnell!«
Eine Gruppe Männer rannte zum Hubschrauber und fing an, ihn flugbereit zu machen.
Sabalin zwang sich, normal zu sprechen. »Wie weit reicht der Treibstoff von Hermes?«
»Nicht weit. Höchstens zwanzig Kilometer.«
»Zwanzig Kilometer sind eine gewaltige Strecke!« Wieder drängte eine Mischung aus Wut und Verzweiflung in Sabalins Stimme. Er eilte zum Helikopter. »Im Prinzip könnte er es sogar bis auf die finnische Seite schaffen.«
»Vor allem weil Hermes nicht auf dem Radarschirm zu sehen ist«, sagte der Oberingenieur.
»Wenn der Junge Glück hat und alle Sinne beisammen, kann er bald von sich sagen, dass er die Elitetruppen des mächtigen Russland aus dem Feld geschlagen hat.«
Im Gehen blickte Sabalin auf den Untergebenen, mit dem er sich beim Schreiben des Berichts unterhalten hatte. »Wollen wir das zulassen?«
»Nein, Herr Major. Der altkluge kleine Este wird uns nicht entwischen.«
|233| Die Rotorblätter des Hubschraubers peitschten bereits die Luft. Sabalin hielt auf dem Weg zur offenen Schiebetür seine Kopfbedeckung fest.
Sicherheitsexperte Percy Johnson starrte auf die fliegenden Spielkarten auf seinem Computermonitor. Er war über seinen Laptop mit einem der unzähligen Pokerturniere verbunden, die in diesem Moment weltweit live im Internet gespielt wurden. Johnson saß nicht selbst am Spieltisch, aber er verfolgte das Spiel. Für die Tatsache, dass er nicht spielte, gab es nur einen Grund: Er hatte kein Geld und auch keinen Kredit, mit dem er hätte Spielmarken kaufen können.
Aber das würde sich bald ändern.
Er saß auf der Terrasse des Café Ursula am Südufer von Helsinki. Die verfluchte Sonne beeinträchtigte die Sicht auf den Spieltisch, obwohl der Bildschirm eigentlich auch bei Sonnenschein einwandfrei funktionieren sollte.
Während er den neuen Laptop seiner Firma etwas drehte, sah Johnson aus dem Augenwinkel einen muskulösen Mann in blauer Leinenjacke und weißen Jeans scheinbar lässig auf ihn zukommen. Johnson klappte den Rechner zu. Der Mann trat an Johnsons Tisch und fragte, ob ein Platz frei sei.
Turo Hurme setzte sich, ohne dem Briten die Hand zu geben, der seiner Meinung nach immer ein spöttisches Grinsen auf den Lippen hatte. Das war schon bei ihrer |234| ersten Begegnung so gewesen, in Bagdad vor drei Jahren, als er Johnson als Vorgesetzten bekommen hatte.
»Die Jungs aus Peking werden nervös«, sagte Hurme leise.
»Aus gutem Grund.«
»Und ich werde auch bald nervös«, fuhr Hurme fort.
»Ebenfalls aus gutem Grund. Die Information, die wir von den finnischen Behörden erhalten haben, ist nämlich ziemlich düster. Die Maschine befindet sich in Russland und wird auch dort bleiben«, sagte Johnson und zog seine Worte dabei ärgerlich in die Länge.
»Sag mir alles, was du über die Lage weißt«, sagte Hurme und merkte, dass er seine Worte ungewollt ebenso in die Länge zog wie Johnson. Er musste diesen spielverrückten Briten mit seinem Goldschmuck nicht mögen, aber jetzt war ihr Schicksal zumindest für einige Tage miteinander verwoben.
»Der finnische Militärgeheimdienst vermutet, dass die Maschine sich in einem Stützpunkt des GRU in Karelien befindet, in der Nähe des Grenzbezirks. Und die Polizei ist der Meinung, dass der vierzehnjährige Junge, den die Russen in ihrer Gewalt haben, ein Finne namens Aaro Nortamo ist. Wegen diesem kleinen Bengel macht der gesamte finnische Polizeiapparat Überstunden. Die Rede ist von Entführung.«
Hurmes Augen verengten sich zu Schlitzen. Er konnte sich schwach an das dürre Bündel erinnern, das die Russen auf der verdammten Forststraße aus dem weißen Lieferwagen gezerrt hatten, aber das Gesicht des Jungen |235| konnte er sich nicht mehr vor Augen führen. Alles war zu schnell gegangen, und während des demütigenden Scheiterns ihres Coups durch die Gaspatrone hatte er keine Zeit gehabt, sich über die Anwesenheit der kleinen Kröte Gedanken zu machen. Aber das musste der arme Aaro Nortamo gewesen sein. Hurme vermutete, dass der Junge schon nicht mehr am Leben war.
Johnson nahm einen Schluck von
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