Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
zierliche Instrument unter seinem Stiefelabsatz und hob den Blick, um in sein bleiches, ausgemergeltes Spiegelbild zu sehen.
Nie wieder.
Niemals wieder.
28
»Ryan, schön, Sie wiederzusehen.« Cain begrüßte Drake mit einem Lächeln, als der den schlichten Konferenzraum betrat, den Cain zu einem Büro umfunktioniert hatte. Cain wirkte leger, jedenfalls soweit dieser Mann gelöst sein konnte; er hatte seine Anzugjacke ausgezogen, die Hemdsärmel aufgerollt und die Krawatte gelockert.
»Zuerst einmal möchte ich sagen, dass Sie Ihren Job hervorragend …«
Drake hob die Hand und unterbrach ihn.
»Bei allem Respekt, Sir, Sie können sich Ihre Glückwünsche schenken. Ich bin hier, weil es mir befohlen wurde. Aber falls Sie mit mir über Maras reden wollen, möchte ich nur gern wissen, wer genau sie ist und warum wir unser Leben riskiert haben, um sie zu retten. Und zwar möchte ich das auf der Stelle wissen.«
Cain sagte mehrere Sekunden lang nichts. Weder gab er eine wütende Antwort, noch schrie er ihn an oder maßregelte ihn, wie Drake es erwartet hatte. Der Direktor stand einfach da und sah ihn an, prüfend, abschätzend.
In diesen wenigen Augenblicken wurde das Schweigen zunehmend belastender, und Drakes Wut und Gereiztheit verblasste angesichts der kühlen, kontrollierten Drohung, die von diesem Mann ausging.
Er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. Der Whisky, den er zuvor getrunken hatte, hatte ihn in eine reizbare, aggressive Stimmung versetzt, aber jetzt wurde ihm klar, was er da eigentlich tat. Er benahm sich wie ein launischer Teenager, dem man irgendeine ungeliebte Hausarbeit aufgebrummt hatte. So etwas kam bei Männern wie Cain nicht besonders gut an.
Zu Drakes Überraschung lächelte Cain plötzlich. »Sind Sie fertig?«
Drake antwortete nicht, und der ältere Mann nahm das Schweigen als das, was es war. »Gut, denn ich hatte zufälligerweise so eine Ahnung, dass Sie genau so etwas sagen könnten. Setzen Sie sich, Ryan.« Er deutete auf einen freien Stuhl.
Drake setzte sich, und Cain nahm ihm gegenüber hinter dem einzigen Schreibtisch in dem Raum Platz. Es war ein billiges Möbelstück, mit einem Metallrahmen und einer furnierten Tischplatte, aber irgendwie verlieh die bloße Präsenz des Mannes ihm Bedeutung und Autorität.
Der Direktor der Special Activities Division betrachtete Drake etliche Sekunden lang. Bei jedem anderen hätte es vielleicht den Eindruck erweckt, als würde er seine Gedanken sammeln oder sortieren, welche Informationen er weitergeben wollte, aber Drake wusste es besser. Cain gehörte zu den Menschen, die immer genau wussten, was sie sagen wollten, lange bevor sie es aussprachen.
Er ließ Drake warten, einfach weil er die Macht dazu hatte.
Schließlich brach er das Schweigen. »Ihr richtiger Name ist Anya – jedenfalls nennt sie sich so. Mittlerweile haben Sie wohl erraten, dass sie keine US -Bürgerin ist. Sie wurde in Litauen geboren, als es noch zur Sowjetunion gehörte. Sie ist im Alter von achtzehn Jahren zu uns übergelaufen.«
Drake hob eine Braue. »Warum?«
»Das ist eine lange Geschichte. Es genügt vielleicht zu sagen, dass sie mit ihrem Leben hinter dem Eisernen Vorhang nicht sonderlich glücklich war. Nach allem, was ich darüber weiß, kann ich ihr das schwerlich verübeln. Sie ist ’83 über das Baltikum nach Schweden geflüchtet und von dort in die Vereinigten Staaten gekommen. Etwa ein Jahr später sind wir auf sie aufmerksam geworden«, fuhr Cain fort. »Sie war jung, gewitzt, intelligent und wollte nur zu gern bei uns einsteigen. Das Militär war an ihr nicht interessiert, also haben wir sie aufgenommen.« Er seufzte fast sehnsüchtig. »Sie hat unsere Erwartungen in jeglicher Hinsicht übertroffen. Schließlich bekam sie ihr eigenes paramilitärisches Kommando. Ganz gleich, was wir von ihr verlangten, sie hat es bewältigt. Schließlich haben wir sie zunehmend häufiger eingesetzt.«
»Was ist schiefgelaufen?«, drängte Drake.
»Das Gleiche, was mit den meisten Leuten geschieht, wenn man sie zu stark unter Druck setzt, denke ich.« Cain lächelte, aber es war mehr eine schmerzliche Grimasse. »Sie ist daran zerbrochen. Während einer Mission in Afghanistan hat sie plötzlich jeglichen Kontakt zu uns abgebrochen. Das Letzte, was wir von ihr hörten, war, dass sie in den Irak unterwegs war. Wir haben versucht, sie abzufangen, aber der russische FSB hat sie zuerst gefunden. Man könnte wohl sagen, dass er noch eine Rechnung mit ihr
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