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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Menschen zu vertrauen. Ich muss Sie warnen, Herr Oberst, ich bin kein besonders hartnäckiger Typ. Zu wissen, wann man aufgeben sollte, ist die beste Methode, am Leben zu bleiben, das habe ich im Lauf der Jahre gelernt. Also erwarten Sie nicht, dass ich den Helden spiele. Nicht hier. Seit ich eine deutsche Uniform angezogen habe, scheint mir, dass die Sache mit dem Heldentum ausgestorben ist.»
    Der Oberst betrachtete mich missbilligend. «Wenn wir mehr Helden gehabt hätten», sagte er pikiert, «hätten wir den Krieg vielleicht gewonnen.»
    «Nein, Herr Oberst. Wenn wir mehr Helden gehabt hätten, wäre es nie zum Krieg gekommen.»
    Ich drehte mich um und ging auf die Baustelle, um mein Tagewerk zu erledigen. Ich füllte meine Schubkarre mit Sand, schob sie einen Steg hinauf, leerte sie und schob sie wieder nach unten. Die Arbeit nahm kein Ende und war so fruchtlos, als handele es sich um eine Strafe der Götter. Wenigstens war sie ungefährlicher als das, was der Oberst von mir verlangte. Ohne den Wodka im Blut wäre ich angesichts der Möglichkeit, fünfundzwanzig Kameraden einen Schauprozess in Stalingrad zu ersparen, vielleicht weniger euphorisch gewesen. Ich habe nie zu denen gehört, die Trunkenheit mit Heldentum verwechseln. Helden braucht man auch gar nicht, um einen Krieg zu gewinnen, man braucht Menschen, die ihn überleben.
    Ich war noch immer leicht betrunken, als der Oberst und der NKWD -Major erschienen, um mich von meiner Sisyphusarbeit zu erlösen. Und mein Zustand war auch die einzig denkbare Erklärung dafür, wie ich mit dem Iwan sprach. Nämlich auf Russisch. Die Russen mochten es sehr, wenn man sie in ihrer Sprache ansprach. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht vom Rest der Welt. Der einzige Unterschied ist der, dass die Russen daraus schlossen, man würde sie mögen.
    Der NKWD -Major Sawostin entließ den Oberst mit einer wedelnden Handbewegung, sobald Mrugowski auf mich gezeigt hatte. Der Russe winkte mich ungeduldig zu sich.
    «Bistra! Dawai!»
    Er war um die fünfzig, hatte rotblondes Haar und einen Mund so breit wie die Wolga, der aussah, als wäre er für eine böswillige Karikatur überzeichnet worden. Die blassblauen Augen in dem blassweißen Kopf hatte er wohl von der Wölfin geerbt, die ihn geworfen hatte.
    Ich ließ meine Schaufel fallen und lief diensteifrig zu ihm. Die Blauen sahen es gern, wenn man alles im Laufschritt tat.
    «Mrugowski sagt, Sie waren vor dem Krieg ein faschistischer Polizist.»
    «Nein, Herr Major. Ich war bloß Polizist. Im Allgemeinen hab ich den Faschismus den Faschisten überlassen. Ich hatte als Polizist schon genug zu tun.»
    «Haben Sie je Kommunisten verhaftet?»
    «Kann sein. Wenn sie das Gesetz gebrochen haben. Aber ich habe nie jemanden verhaftet, weil er Kommunist war. Ich habe Morde aufgeklärt.»
    «Da müssen Sie ja sehr beschäftigt gewesen sein.»
    «Jawohl, Herr Major. Das war ich.»
    «Welchen Rang haben Sie?»
    «Hauptmann, Herr Major.»
    «Wieso tragen Sie dann die Jacke eines Rottenführers?»
    «Der Rottenführer, der sie früher trug, hatte keine Verwendung mehr dafür.»
    «Welche Funktion hatten Sie im Krieg?»
    «Ich war Abwehroffizier, Herr Major.»
    «Haben Sie je Partisanen bekämpft?»
    «Nein, Herr Major. Nur die Rote Armee.»
    «Deshalb habt ihr verloren.»
    «Jawohl, Herr Major, deshalb haben wir verloren, keine Frage.»
    Die blauen Wolfsaugen starrten mich unverwandt an, nötigten mich, mir die Mütze vom Kopf zu reißen, während ich zurückstarrte.
    «Sie sprechen ausgezeichnet Russisch», sagte er. «Wo haben Sie das gelernt?»
    «Von Russen. Wie gesagt, Herr Major, ich war Abwehroffizier. Dafür muss man im Allgemeinen etwas mehr können als bloß schießen. Bei mir waren es die Russischkenntnisse. Aber seit ich hier bin, spreche ich es wesentlich besser. Das habe ich dem großen Stalin zu verdanken.»
    «Sie waren ein Spion, Hauptmann. Nicht wahr?»
    «Nein, Herr Major. Ich war immer in Uniform, und ein Spion in Uniform wäre ein ziemlich dummer Spion. Und wie gesagt, ich war bei der Abwehr. Ich musste russische Radiosendungen abhören, russische Zeitungen lesen, mit russischen Gefangenen sprechen …»
    «Haben Sie je einen russischen Gefangenen gefoltert?»
    «Nein, Herr Major.»
    «Ein Russe würde Faschisten nur unter Folter Informationen verraten.»
    «Vermutlich hab ich deshalb nie irgendwelche Informationen von russischen Gefangenen bekommen. Kein einziges Mal. Niemals.»
    «Wieso glaubt der Oberst dann,

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