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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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verlangen. Und sie verlangen, dass er sich als jemand anderes ausgibt. Als Deutscher. Als ein Deutscher, der wahrscheinlich längst tot ist. Und Sie haben selbst gesagt, er spricht so perfekt Deutsch, dass sogar Sie ihn für einen Muttersprachler hätten halten können. Viele der Kriegsheimkehrer werden als Helden betrachtet. Ein Mann, der als Held in die Heimat zurückkehrt, hat gleich die richtige Ausgangslage für eine Karriere in der neuen deutschen Gesellschaft. Vielleicht in der Politik. Und eines Tages kann man ihn sich dann wieder nützlich machen.»
    «Aber was kann ich tun?»
    «Sie kennen den Mann. Wer könnte besser als Sie erkennen, ob irgendjemand oder irgendwas nicht ganz koscher ist?»
    «Vielleicht.» Ich schüttelte den Kopf. «Wenn Sie meinen.»
    «Sämtliche nach Westdeutschland heimkehrenden Kriegsgefangenen kommen am Bahnhof in Friedland an. Der nächste Zug wird in vier Wochen erwartet.»
    «Was soll ich machen? Mit einem Strauß Blumen am Bahnsteig stehen wie irgend so eine arme Witwe, die nicht begreift, dass ihr Mann nie wieder nach Hause kommt?»
    «Nicht direkt, nein. Haben Sie schon mal was vom VdH gehört?»
    Ich zuckte die Achseln. «Irgendwas mit Entschädigungszahlungen für heimkehrende deutsche Kriegsgefangene, nicht?»
    «Das ist der Verband der Heimkehrer. Und ja, darum geht es unter anderem auch. Das Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz, das im Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, sieht vor, dass jeder Heimkehrer in Westdeutschland für jeden Kalendermonat in Gefangenschaft ab dem ersten Januar 1947 dreißig Mark und ab dem ersten Januar 1949 sechzig Mark Entschädigung erhält. Der VdH ist aber auch ein Verband, der ehemaligen Nazis die Vorteile der deutschen Demokratie schmackhaft machen will. Das ist Entnazifizierung von Deutschen durch Deutsche.»
    «Bei Ihrem Hintergrund», sagte der andere Franzose, «eignen Sie sich bestens als Mitarbeiter bei diesem Verband. Das wäre überhaupt kein Problem. Der VdH-Landesverband Niedersachsen ist unter unserer Kontrolle. Der Vorsitzende und einige andere Vorstandsmitglieder stehen im Dienst des SDECE . Und wenn Sie für uns arbeiten, werden Sie natürlich gut bezahlt. Vermutlich haben Sie sogar selbst Anspruch auf eine Kriegsgefangenenentschädigung.»
    «Und obendrein können wir die ganze Sache mit Helmut Knochen vergessen.» Der Schlaflose schnippte mit den Fingern. «Einfach so. Wir bringen Sie in einer kleinen Pension in Göttingen unter. Das wird Ihnen gefallen. Hübsches Städtchen. Von da ist es nur ein Katzensprung bis Friedland. Wenn alles gut läuft, könnten wir uns eine langfristige Zusammenarbeit durchaus vorstellen.»
    Ich nickte. «Tja, ich habe de Boudel lange nicht gesehen. Und natürlich würde ich gern aus La Santé rauskommen. Sie haben recht, Göttingen ist in der Tat hübsch. Und ich brauche ja nun mal Arbeit. Das alles klingt sehr großzügig, wirklich. Aber ich hätte da noch einen Wunsch. Ich kenne eine Frau in Berlin. Sie ist vielleicht der einzige Mensch in ganz Deutschland, der mir etwas bedeutet. Ich würde sie gern besuchen. Nachsehen, ob es ihr gutgeht. Ihr etwas Geld geben, vielleicht.»
    Der Schlaflose nahm einen Bleistift zur Hand. «Name und Adresse?»
    «Sie heißt Elisabeth Dehler. Als ich das letzte Mal in Berlin war, vor rund fünf Jahren, wohnte sie in der Motzstraße achtundzwanzig, nicht weit vom Ku’damm.»
    «Sie haben sie noch nie erwähnt. Was macht sie beruflich?»
    «Sie war Näherin. Ist sie vermutlich immer noch.»
    «Und in welcher Beziehung standen Sie zu ihr?»
    «Wir waren eine Weile zusammen.»
    «Als Paar?»
    «Ja, als Paar, könnte man so sagen.»
    «Wir überprüfen die Adresse für Sie. Ob sie noch da wohnt. Erspart Ihnen Umstände, falls nicht.»
    «Danke.»
    Er zuckte mit den Schultern. «Aber falls sie noch da wohnt, haben wir keinerlei Einwände. Es wird schwierig. Es ist immer schwierig, nach Berlin rein- und wieder rauszukommen. Trotzdem, wir kriegen das hin.»
    «Schön. Dann sind wir uns einig. Wenn mir der Text bekannt wäre, würde ich jetzt die Marseillaise singen.»
    «Eine Unterschrift reicht uns fürs Erste. Wir sind hier im Schwimmbad keine großen Sangesfreunde.»
    «Wieso wird dieser Laden hier eigentlich Schwimmbad genannt?»
    Die beiden Franzosen lächelten. Einer von ihnen stand auf und öffnete ein Fenster. «Hören Sie das nicht?», sagte er nach einem Augenblick. «Riechen Sie das nicht?»
    Ich stand ebenfalls auf, trat neben ihn und horchte. In

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