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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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ertragen: Geld zum Beispiel. Die Franzosen, so fanden wir alle drei, waren eben Franzosen: nicht ernst zu nehmen, und daher lohnte es auch nicht, sie zu verachten. Ich persönlich hatte auch so meine Vorbehalte gegen die Briten, doch falls ich noch Restzweifel hinsichtlich meiner versilberten Abneigung gegenüber Amerikanern hegte, so wurden diese bald zerstreut. Als wir im Südwesten Berlins am Kontrollpunkt Dreilinden bei Zehlendorf ankamen, mussten wir erneut unsere Papiere vorzeigen, und sobald wir im amerikanischen Sektor waren, parkten wir den Wagen und gingen in einen Laden, um Zigaretten zu kaufen. Ich war den Anblick amerikanischer Zigarettenmarken gewohnt, weil ich sie gern rauchte. Was mich jedoch sprachlos machte, war das riesige Angebot an anderen amerikanischen Produkten: Chex-Frühstücksflocken, Rexall-Zahnpasta, koffeinfreier Kaffee Sanka, Ballantine-Bier, Sunny Brook Kentucky Whiskey, Dash-Hundefutter, Juicyfruits, Appian Way Pizza Mix, Pream-Milchpulver, Nescafé und Seven Up. Ich war zwar wieder in Berlin, aber kam mir vor wie im Ausland.
    Wir fuhren in den französischen Sektor, zu einer sicheren Unterkunft auf der Bernauer Straße mit Blick auf den russischen Sektor, das heißt, die Franzosen kontrollierten den Bürgersteig auf der einen Seite und die Russen den auf der anderen. Es war nicht von Belang. Berlin sah zwar nicht so aus, wie ich es in Erinnerung hatte – auf der sowjetischen Straßenseite machten die ausgebombten Häuser nach wie vor einen besorgniserregend baufälligen Eindruck –, aber die Stadt roch nicht nur wie immer, sondern sie fühlte sich auch so an: zynisch und vorwitzig – vielleicht vorwitziger als je zuvor. In meinem Kopf und meinem Herzen spielte ein Orchester in Divisionsgröße
Berliner Luft
, und ich klatschte und pfiff an den richtigen Stellen. In Berlin hatte es nie gezählt, deutsch zu sein – Hitler und Goebbels hatten das nicht begriffen –, sondern es zählte in erster Linie, dass man Berliner war, und jeder, der daran was ändern wollte, konnte sich zum Teufel scheren. Eines Tages würden wir die anderen loswerden. Den Iwan, den Tommy, den Franzmann und sogar die Amis. Freunde wird man immer schwerer los als Feinde, erst recht, wenn sie sich für gute Freunde halten.
    Am folgenden Tag fuhren meine beiden Landsleute mich zur Motzstraße im amerikanischen Sektor.
    Wir hielten vor Nummer achtundzwanzig. Das Haus war in einem deutlich besseren Zustand als bei meinem letzten Besuch hier. Es war kanariengelb gestrichen worden, Blumenkästen mit Geranien schmückten etliche Fenster, und neben der schweren Eichentür hatte jemand eine kräftige Linde gepflanzt. Das ganze Viertel wirkte, als ginge es den Leuten wieder gut. Auf der anderen Straßenseite war ein teurer Porzellanladen und unter Elisabeths Wohnung im ersten Stock ein elegantes Restaurant namens Kottler, in dem meine Begleiter auf mich warten wollten.
    Die Haustür stand offen. Ich ging nach oben und klingelte und lauschte. In Elisabeths Wohnung konnte ich Musik hören, die dann aufhörte. Einen Moment später öffnete sich die Tür, und sie stand vor mir. Fünf Jahre älter und mindestens fünf Kilo schwerer. Damals war sie brünett gewesen. Jetzt war sie blond. Die paar Pfund mehr auf den Rippen standen ihr besser als die Haarfarbe. Die passte nicht richtig zu ihren braunen Augen, die sich jetzt weiteten, aber das störte mich nicht sonderlich, da es sechs Monate her war, dass ich überhaupt mit einer Frau gesprochen hatte, geschweige denn mit einer im Bademantel. Allein sie so zu sehen, erinnerte mich an die unschuldigeren Jahre vor dem Krieg, als es noch Zeit und Gelegenheit gab für Sex.
    Der Unterkiefer klappte ihr runter, und sie blinzelte, übertrieben, als ob sie ihren Augen nicht richtig trauen wollte.
    «Mein Gott, du bist es wirklich», sagte sie. «Ich hatte Angst, du wärst tot.»
    «War ich auch. Ewiges Leben hat seine Vorteile, aber es ist erstaunlich, wie schnell man sich langweilt. Also, da bin ich wieder. Zurück in der Stadt Mahagonny, oder meinte Brecht Marihuana?»
    «Komm rein, komm rein.» Sie zog mich in die Diele, schloss die Tür und umarmte mich zärtlich. «Ich hab zwar kein Marihuana», sagte sie, «aber ich hab einen guten starken Kaffee. Oder was noch Stärkeres.»
    «Kaffee wäre schön.» Ich folgte ihr in eine Küche. «Gefällt mir, was du aus der Wohnung gemacht hast. Du hast Möbel reingestellt. Als ich das letzte Mal hier war, hattest du alles verkauft,

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