Mission Walhalla
von diesen Ausstellungen, die vom VdH veranstaltet werden», sagte sie. «Sie hieß ‹Kriegsgefangene reden›. Dazu hatten sie ein sowjetisches Kriegsgefangenenlager aufgebaut, samt Wachturm und einem vier Meter hohen Stacheldrahtzaun.»
«Gab’s auch einen Souvenirladen?»
«Nein. Bloß eine Zeitung.»
«Der Heimkehrer.»
«Genau.»
«Das ist ein Käseblatt. Unter anderem glaubt die VdH-Leitung, dass ein freies Volk prinzipiell nicht auf den Schutz durch eine neue deutsche Armee verzichten kann.»
«Und du glaubst das nicht?»
Ich schüttelte den Kopf. «Das soll nicht heißen, dass ich den Wehrdienst für eine schlechte Idee halte. Prinzipiell.» Ich zündete mir eine Zigarette an. «Bloß, ich traue unseren Alliierten nicht über den Weg. Wer weiß, ob sie uns nicht als Kanonenfutter gebrauchen, wenn irgend so ein verrückter amerikanischer Südstaatengeneral meint, er könnte hier einen Krieg führen, auf sicherem deutschen Boden, weit weg von Amerika. Aber in Wirklichkeit kann den keiner gewinnen. Wir nicht. Die nicht.»
«Lieber rot als tot, was?»
«Ich glaube, die Roten sind genauso wenig auf einen Krieg aus wie wir. Nur die Männer, die den letzten Krieg geführt haben, und den davor, können genau sagen, wie viele Menschenleben verschwendet wurden. Und wie viele Kameraden sinnlos geopfert wurden. Wenn du mich fragst, ist dieser Kalte Krieg bloß irgendeine Erfindung von Geheimdienstleuten, um uns Angst einzujagen und alle bei der Stange zu halten.»
«Bei uns im Klub ist ein Kellner», sagte sie, «der dir da widersprechen würde. Er war auch in Kriegsgefangenschaft. Ist letztes Jahr zurückgekommen und immer noch ein fanatischer Nazi. Hasst die Bolschewiken.» Sie lächelte gequält. «Ich kann sie auch nicht besonders leiden, klar. Du weißt ja selbst noch, wie das war, als die Rote Armee in Berlin einmarschierte und über alles herfiel, was einen Rock trug.» Sie hielt einen Moment inne. «Ich hab ein Kind bekommen. Hab ich dir das erzählt?»
«Nein.»
«Tja, er – mein Kind – ist gestorben, daher fand ich es wohl nicht mehr so wichtig. Er hatte eine Influenza-Meningitis bekommen, und bei dem Penizillin, mit dem er behandelt wurde, handelte es sich um eine Fälschung. Das war … im Februar 1946. Die Männer, die das Zeug verkauft haben, wurden gefasst, zum Glück. Obwohl das meinem Kind nichts mehr genützt hat. Es war in Frankreich hergestellt worden. Glukose und Gesichtspuder, aufgelöst in echten Penizillinampullen. Als rauskam, dass das Zeug gefälscht war, konnte man natürlich nichts mehr tun.» Sie schüttelte den Kopf. «Kaum noch vorstellbar, wie es damals war. Die Leute haben einfach alles gemacht oder verkauft, um an Geld zu kommen.»
«Das tut mir leid.»
«Muss es nicht, mein Lieber. Ist lange her. Außerdem, auch nachdem ich das Kind bekommen hatte, wusste ich nicht genau, ob ich es wirklich haben wollte.»
«Unter den Umständen ist das auch kein Wunder», sagte ich. «Warum hast du nie was erzählt?»
«Du hattest ja wohl selbst genug Probleme, oder?» Sie zuckte die Achseln. «Außerdem liegt es natürlich eigentlich an den Massenvergewaltigungen, dass ich meinen Körper nie an die Amis verkauft habe. Da vergeht einem schon mal für eine ganze Weile die Lust auf Sex. Als ich mir so langsam wieder was mit einem Mann hätte vorstellen können, war es zu spät. Da hatte ich die besten Jahre hinter mir, mehr oder weniger.»
«Blödsinn.»
«Jedenfalls zu spät, um noch einen Mann zum Heiraten zu finden. Deutsche Männer sind noch immer Mangelware, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Von den guten Exemplaren waren die meisten in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern. Oder auf Kuba.»
«Du bist eine attraktive Frau, Elisabeth.»
Sie nahm meine Hand und drückte sie.
«Findest du wirklich, Bernie?»
«Natürlich.»
«Oh, es hat schon den einen oder anderen Mann gegeben, das ja. So ganz zum alten Eisen gehöre ich noch nicht. Aber es ist längst nicht mehr so, wie es mal war. Das trifft ja eigentlich auf alles zu. Aber … Einer war ein Amerikaner, der im US -Hauptquartier in der Clayallee Ecke Saargemünder Straße gearbeitet hat. Er ist aber wieder nach Hause zu Frau und Kindern in Wichita. Und dann war da noch ein Sergeant, der den Club 48 betrieb, einen Klub für US -Soldaten. Der hat mir auch die Stelle im
Queen
verschafft. Bevor er dann auch zurück in die Staaten ist. Das ist sechs Monate her. So ist mein Leben verlaufen.» Sie zuckte die Achseln.
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