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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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ich Nebe im Winter 1947/48 in Wien ermordet, als er für General Gehlens Organisation von alten Kameraden arbeitete, aber davon würde ich den beiden Amis nichts erzählen. Die Organisation Gehlen war von der CIA , oder wie immer die sich damals schimpfte, gefördert worden und wurde es möglicherweise noch immer.
    «Nebe hatte zwei Gesichter», sagte ich. «Mindestens. 1933 war er noch der festen Überzeugung, die Nazis wären die einzige Alternative zu den Kommunisten und dass sie wieder Ordnung nach Deutschland bringen würden. 1938 hatte er seinen Irrtum erkannt und plante mit Komplizen in der Wehrmacht und in der Polizei Hitlers Sturz. Es gibt ein Foto des Propagandaministeriums, auf dem Nebe mit Himmler, Heydrich und Müller zu sehen ist, wie sie nach einem versuchten Bombenattentat gegen Hitler beratschlagen, welche Ermittlungen einzuleiten sind. Dabei war Nebe an dieser Verschwörung beteiligt. Das weiß ich so genau, weil ich selbst es auch war. Das war im November 1939. Doch 1940, nach den Siegen gegen Frankreich und England, änderte Nebe wieder seine Meinung. Nach dem Wunder von Frankreich hatten viele Leute eine andere Meinung über Hitler. Sogar ich. Jedenfalls für ein paar Monate. Sowohl Arthur als auch ich sahen das allerdings anders, als Hitler Russland angriff. Kein Mensch hielt das für eine gute Idee. Trotzdem machte Arthur, was man ihm sagte. Er schmiedete Umsturzpläne und tat, was ihm befohlen wurde, selbst wenn das bedeutete, Juden in Minsk und Smolensk zu ermorden. Zu tun, was einem befohlen wurde, war die beste Tarnung, wenn man einen Staatsstreich gegen die Nazis plante. Ich glaube, das war der Grund, weshalb er so widersprüchlich wirkte. Wahrscheinlich hat er auch deshalb als Kommandeur der Einsatzgruppe B versagt, wie Sie es ausdrücken. Weil er nie mit Überzeugung hinter der Sache stand. Mehr als alles andere war Nebe Überlebenskünstler.»
    «Wie Sie.»
    «Bis zu einem gewissen Grad stimmt das, ja. Dank ihm.»
    «Erzählen Sie.»
    «Hab ich doch schon.»
    «Nicht sehr detailliert.»
    «Was soll ich machen? Ihnen ein Bild malen?»
    «Im Ernst, Gunther, wir möchten so viele Einzelheiten wie nur möglich hören», sagte Earp.
    «Wer lügt», sagte Silverman, «verwickelt sich fast immer erst dann in Widersprüche, wenn es ins Detail geht. Das sollten Sie als ehemaliger Polizist doch wissen. Und wenn einer anfängt, sich im Kleinen zu widersprechen, können Sie drauf wetten, dass er auch im Großen lügt.»
    Ich nickte.
    «Also gut», sagte er. «Kommen wir auf Goloby zu sprechen, wo Sie die Angehörigen eines NKWD -Kommandos getötet haben.»
    «Die, von denen Sie behaupten, sie hätten alle Insassen eines NKWD -Gefängnisses in Lutsk ermordet», sagte Earp. «Die Sowjets sagen, das wäre bloß deutsche Propaganda gewesen, die eure eigenen Männer davon überzeugen sollte, dass die standrechtliche Erschießung aller Juden und Bolschewiken gerechtfertigt war.»
    «Als Nächstes werden Sie mir noch weismachen, dass die Wehrmacht all die Polen im Wald bei Katyn ermordet hat.»
    «Vielleicht stimmt das ja auch.»
    «Die Untersuchungskommission eures eigenen Kongresses sieht das anders.»
    «Sie sind gut informiert.»
    «Auf Kuba hab ich regelmäßig amerikanische Zeitungen gelesen, um mein Englisch aufzupolieren. 1952 war das, nicht wahr? Die Untersuchung. Als die Malden-Kommission die Empfehlung aussprach, die Sowjets sollten sich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten? Sie müssen wissen, ich interessiere mich schon lange für diese Geschichte. Der NKWD hat ebenso viele umgebracht wie wir, da erzähle ich Ihnen doch nichts Neues. Also geben Sie’s ruhig zu. Die Kommunisten sind der neue Feind. Oder ist das bloß amerikanische Propaganda?»
    Ich zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche meiner Gefängnisjacke und zündete mir bedächtig eine an. Ich hatte es satt, Fragen zu beantworten, aber mir war klar, dass mir nichts anderes übrigblieb, als die Tür zum finstersten Kerker meiner Seele aufzustoßen und einige sehr unangenehme Erinnerungen ans Tageslicht zu zerren. Durch die Fenstergitter sah ich, dass es ein strahlend sonniger Junitag war, und obwohl die Wehrmacht damals die Sowjetunion an einem ganz ähnlichen warmen Tag im Juni überfiel, kam mir das Unternehmen Barbarossa so weit weg vor wie in einem anderen Leben. Wenn ich Namen wie Goloby, Lutsk, Białystok und Minsk heraufbeschwor, spürte ich sofort diese infernalische Hitze auf der Haut, und vor

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