Mission Walhalla
erinnerte. Ledersessel luden zum Sitzen ein, auf dem Kaminsims tickte laut eine Uhr, gegenüber waren zwei Ganzkörperspiegel angebracht, und in einigen Glasvitrinen wurden militärische Uniformen feilgeboten. An der Wand hingen neben zahlreichen Ernennungsschreiben zum königlichen Hoflieferanten eine ganze Reihe Bilder von Hitler und Göring, dessen Hang zu bunten Uniformen allgemein bekannt war. Durch einen grünen Samtvorhang fiel mein Blick auf eine Handvoll Männer, die Stoffe zuschnitten oder halbfertige Uniformen bügelten, und zu meiner Verwunderung war einer dieser Männer ein orthodoxer Jude. Eigentlich typisch für die Heuchelei der Nazis, dass sie sich ihre SS -Uniformen von einem jüdischen Schneider anfertigen ließen.
«Dieser Offizier benötigt eine Uniform», erklärte Heydrich. «Feldgrau. Und sie muss in einer Woche fertig sein. Normalerweise würde ich ihn zum SS -Quartiermeister schicken, um ihm eine Hugo-Boss-Uniform von der Stange zu verpassen, aber er wird im Führerzug mitreisen, daher muss er anständig aussehen. Schaffen Sie das, Herr Holters?»
Der Schneider schien verblüfft, dass ihm eine solche Frage überhaupt gestellt wurde. Er stieß ein höfliches kleines Lachen aus und lächelte dann in ruhiger Gewissheit. «Aber selbstverständlich, Obergruppenführer.»
«Gut», sagte Heydrich. «Schicken Sie die Rechnung an mein Büro. Gunther? Ich überlasse Sie den geschickten Händen von Herrn Holters. Und sorgen Sie dafür, dass Sie Ihre Männer erwischen. Alle beide.» Dann wandte er sich um und ging.
«Rang?»
«Hauptsturmführer.»
«Irgendwelche Orden?»
«Eisernes Kreuz erster Klasse. Kriegsehrenkreuz mit Schwertern und Verwundetenabzeichen. Das ist alles.»
«Uniformhose oder Reithose?»
Ich zuckte die Achseln.
«Also beides», sagte er. «Ehrendolch?»
Ich schüttelte den Kopf.
«Hutgröße?»
«Zweiundsechzig Zentimeter.»
Holters nickte. «Wir lassen Ihnen von Hoffmanns in der Gneisenaustraße ein paar zur Anprobe kommen. Würden Sie jetzt bitte das Jackett ausziehen, damit ich Ihre Maße nehmen kann?» Er blickte auf einen kleinen Kalender an der Wand. «Bei Obergruppenführer Heydrich muss es immer schnell gehen.»
«Ja, es ist nicht ratsam, sich mit ihm anzulegen», sagte ich und streifte mein Jackett ab. «Das Gefühl kenne ich.»
Nachdem er meine Maße genommen hatte, wandte ich mich zum Gehen. Auf dem Weg nach draußen stieß ich mit Elisabeth Dehler zusammen, die mit einem Uniformkarton unter dem Arm den Laden betrat. Seit jener Nacht 1931, als ich bei ihr aufgetaucht war, um ihr Mielkes Adresse abzuringen, hatten wir uns kaum gesehen. Aber sie begrüßte mich freundlich, als würde sie mir nichts übelnehmen, und willigte ein, mit mir einen Kaffee zu trinken, sobald sie die Uniform bei Herrn Holters abgeliefert hatte.
Ich wartete um die Ecke bei Miericke in der Rankestraße, wo die wohl beste Schokoladentorte in ganz Berlin serviert wurde.
Als Elisabeth schließlich neben mir Platz nahm, erzählte sie, dass sie seit Beginn des Krieges kaum noch Kleider nähte, weil alle nur noch Uniformen bei ihr bestellten.
«Der Krieg ist schon vorbei, bevor er richtig begonnen hat», sagte ich. «Ehe du dich versiehst, fabrizierst du wieder deine Kleider.»
«Ich hoffe, du hast recht», sagte sie. «Aber du warst doch bestimmt aus demselben Grund bei Holters. Um dir eine Uniform machen zu lassen.»
«Ja. Ich muss nächste Woche beruflich nach Paris.»
«Paris.» Sie schloss einen Moment sehnsuchtsvoll die Augen. «Was würde ich darum geben, Paris zu sehen.»
«Weißt du, dass ich gerade vor einer Stunde an dich gedacht hab?»
Sie zog eine Grimasse. «Das glaub ich dir nicht.»
«Ganz ehrlich, es stimmt, ich hab an dich gedacht.»
«Warum?»
Ich lachte und machte eine ausweichende Handbewegung. Ich wollte ihr nicht sagen, dass ich nach Paris geschickt wurde, um ihren alten Schützling Erich Mielke zu jagen, und dass sie mir deshalb wieder in den Sinn gekommen war.
«Ach, ich hab einfach nur gedacht, dass es schön wäre, dich wiederzusehen, Elisabeth. Vielleicht können wir ja mal zusammen ins Kino gehen, wenn ich aus Paris zurück bin.»
«Du hast doch gesagt, du musst erst nächste Woche nach Paris.»
«Stimmt.»
«Warum gehen wir dann nicht diese Woche ins Kino?»
«Wenn du mich so fragst», erwiderte ich, «wieso gehen wir nicht heute Abend?»
Sie nickte. «Hol mich um sechs ab», sagte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange.
Wir waren auf dem Weg
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