Mission Walhalla
war damals zwei. Daher hab ich die Franzosen immer gehasst. Ich hasse alles an ihnen. Ich hätte gerne die Chance, ihnen heimzuzahlen, was sie meiner Familie und mir angetan haben. Dass sie mir den Vater genommen haben. Mir eine unglückliche Kindheit beschert. Meine Mutter hätte mit mir und meinen Schwestern aus Trier weggehen müssen, aber dazu fehlte das Geld. Also blieben wir. Wir blieben in Trier, und wir wurden gehasst.» Er nickte nachdenklich. «Ich würde zu gern für die Gestapo in Paris arbeiten. Den Franzmännern ordentlich einheizen. Das würde mir gefallen. Ein paar von ihnen erledigen, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
«Der Krieg ist vorbei», sagte ich. «Ich würde meinen, Ihre Möglichkeiten, den Franzosen einzuheizen, wie Sie es ausdrücken, sind jetzt ziemlich beschränkt. Die haben den Waffenstillstand unterschrieben.»
«Ja, aber ein paar von denen haben bestimmt noch nicht aufgegeben. Glauben Sie nicht auch? Partisanen. Und die müssen wir fertigmachen. Falls Sie irgendwas in der Richtung hören, könnten Sie mir vielleicht Bescheid geben. Ich möchte vorankommen. Und ich will weg von der Sitte.» Er lächelte sein Reptilienlächeln und tätschelte die Aktentasche auf dem Platz neben ihm. «Bis dahin», fügte er hinzu, «kann ich Ihnen vielleicht einen Gefallen tun.»
«Aha? Wie das?»
«In dieser Aktentasche habe ich eine Liste von etwa dreihundert Pariser Restaurants und siebenhundert Hotels, die wegen Prostitution als verboten eingestuft werden sollen. Und eine Liste mit rund dreißig, die offiziell genehmigt sind. Was nicht heißen soll, dass sich irgendwer auch nur im Entferntesten nach den Vorgaben richtet. Ich hab bei der Sitte die Erfahrung gemacht, dass kein Gesetz der Welt einen Mann aufhalten kann, der eine Frau will oder eine Hure, die ihn ranlässt. Jedenfalls, meiner wohlunterrichteten Meinung nach dürfte ein Mann, der sich in Paris amüsieren möchte, nicht enttäuscht werden, wenn er sich für das Hotel Fairyland an der Place Blanche in Pigalle entscheiden würde. Laut der Polizeipräfektur in der Rue de Lutèce holt man sich bei den Frauen, die im Fairyland arbeiten, keine Geschlechtskrankheiten. Nun könnte man natürlich fragen, woher die das wissen, aber ich glaube, die Antwort müsste schlicht lauten, dass es nun mal Paris ist und die dortige Polizei das natürlich weiß.» Er zuckte die Achseln. «Jedenfalls dachte ich, das würde Sie vielleicht interessieren, ehe es sich rumspricht.»
«Danke. Ich werde es mir merken. Aber ich fürchte, ich werde zu viel um die Ohren haben, um mir noch mehr Ärger einzuhandeln, als ich ohnehin schon habe. Ich bin nämlich an einem Fall dran. Es ist ein alter Fall, der mich bestimmt sehr in Anspruch nehmen wird. Wenn ich mir noch mehr aufhalse, könnte es zu viel des Trubels werden, selbst für Pariser Maßstäbe. Ich würde Ihnen gerne mehr darüber erzählen, aber das darf ich nicht, aus Gründen der Sicherheit. Sie müssen wissen, der Mann, hinter dem ich her bin, ist mir schon mal entwischt. Und das soll mir nicht noch einmal passieren. Man könnte mir eine leicht geschürzte Michèle Morgan ins Hotelbett legen, ich dürfte mich trotzdem nicht hinreißen lassen.»
Willms lächelte sein Schlangenlächeln, das er wahrscheinlich auch einsetzte, wenn er eine arme Kleine dazu bringen wollte, ihn umsonst ranzulassen. Ich wusste, wie die Bullen von der Sitte gestrickt waren. Doch sosehr er mich auch anwiderte, erkannte ich doch, dass er mir bei meiner Mission durchaus von Nutzen sein könnte. Ich hätte ihm anbieten können, für mich zu arbeiten. Heydrich hatte mir einen Brief mitgegeben, der jeden Kommandeur dazu verpflichtete, mich im vollen Umfang zu unterstützen. Aber ich tat es nicht. Weil man eine Schlange erst dann um Hilfe bittet, wenn es gar nicht anders geht.
Als wir am späten Nachmittag am Gare de l’Est ankamen, zeigte ich meinen Transportschein einem wurstgesichtigen Unterscharführer, der mich zu einem Militärfahrzeug geleitete, in dem bereits ein anderer Offizier saß. Kraftstoff war knapp, und da wir im selben Hotel auf der anderen Flussseite einquartiert werden würden, mussten wir uns einen Fahrer teilen, einen SS -Rottenführer aus Essen, der uns gleich vorwarnte, dass er wegen des Tempolimits von gerade mal 40 km/h für die Strecke eine Weile brauchen würde.
«Und nachts ist es noch schlimmer», fügte er hinzu. «Da sind nur dreißig erlaubt. Die spinnen.»
«Ist doch bestimmt sicherer so», sagte
Weitere Kostenlose Bücher