Mission Walhalla
in dem Glauben lassen, dass sie zumindest in diesem Teil ihres Landes das Sagen haben. So vermeiden wir Feindseligkeit und Widerstand.»
«Anders ausgedrückt», sagte Sturmbannführer Bömelburg, «wir lassen die Franzosen für uns die Drecksarbeit erledigen.»
«Was anderes können sie ja auch nicht», sagte Hagen.
«Ach, ich weiß nicht», sagte ich. «Das Essen im Lapérouse ist wirklich ganz ausgezeichnet.»
«Da sagen Sie was Wahres, Hauptsturmführer», sagte Bömelburg.
«Wir werden die Polizeipräfektur wohl oder übel in Ihre Mission einbeziehen müssen», sagte Knochen. «Damit die Franzosen nicht den Eindruck gewinnen, wir würden sie ihrer Institutionen und ihrer Lebensart berauben. Aber unter uns, meine Herren, wir sind auf die Loyalität der französischen Polizei angewiesen. Hagen? Wie heißt nochmal der Franzmann, den das Maison zum Verbindungsmann mit uns gemacht hat?» Er sah mich an. «Wir nennen die Flics in der Rue de Lutèce das Maison. Die Polizeipräfektur. Den Bau sollten Sie mal sehen, Hauptsturmführer. Der ist so groß wie der Reichstag.»
«Das ist der Marquis de Brinon, Standartenführer», sagte Hagen.
«Ach ja, richtig. Für eine Republik legen die Franzosen furchtbar großen Wert auf Adelstitel. In der Hinsicht sind sie fast so schlimm wie die Österreicher. Hagen, stellen Sie fest, ob der Marquis irgendwelche Vorschläge hat, wer Hauptsturmführer Gunther behilflich sein könnte.»
Hagen blickte verlegen drein. «Es gibt da ein Problem, Standartenführer. Möglicherweise ist der Marquis nämlich mit einer Jüdin verheiratet.»
Knochen runzelte entnervt die Stirn. «Müssen wir uns jetzt schon um so was Gedanken machen? Wir sind doch erst seit kurzem hier.» Er schüttelte den Kopf. «Außerdem ist
er
der Verbindungsoffizier und nicht seine Frau, oder?»
Hagen nickte.
«Zu gebührender Zeit werden wir feststellen, wer Jude ist und wer nicht, aber im Augenblick scheint mir wichtiger, dass dieser Kommunist gefasst wird, der vor der deutschen Justiz geflohen ist. Ein Mörder. Nicht wahr, Hauptsturmführer Gunther?»
«Richtig, Standartenführer. Er hat zwei Polizisten erschossen.»
«Zufällig ist unsere Abteilung gerade dabei, eine Liste polizeilich gesuchter Verbrecher zusammenzustellen, die wir den Franzosen übergeben wollen», sagte Knochen. «Wir wollen eine gemeinsame Sonderkommission einrichten – die Kundt-Kommission –, die sich um derartige Angelegenheiten in der unbesetzten Zone kümmern soll. Ein deutscher Offizier, Hauptsturmführer Geißler, ist bereits runter nach Vichy, um die Arbeit dieser Kommission anzuschieben. Oberste Priorität hat die Fahndung nach dem polnisch-deutschen Juden Herschel Grynszpan. Sie erinnern sich sicher an die heftigen Gefühlsaufwallungen, die sein Attentat auf Ernst vom Rath – im November 1938 hier in Paris – zu Hause ausgelöst hat.»
«Und ob ich mich erinnere, Standartenführer», sagte ich. «Ich wohne in der Fasanenstraße, in der Nähe vom Ku’damm. Die Synagoge am Ende meiner Straße wurde während der von Ihnen erwähnten heftigen Gefühlsaufwallung niedergebrannt.»
«Ein Entsandter des Außenministeriums, Dr. Grimm, hat ebenfalls Grynszpans Fährte aufgenommen», sagte Knochen. «Anscheinend war dieser kleine Jude bis Anfang Juni hier in Paris, im Gefängnis Fresnes. Dann beschlossen die Franzosen, sämtliche Gefangenen nach Orléans zu schaffen. Von dort sollte er in ein Gefängnis in Bourges gebracht werden. Aber dort kam er nie an. Sein Buskonvoi wurde von deutschen Flugzeugen angegriffen, und von da an gibt es nur noch Mutmaßungen.»
«Es ist aber gut möglich, dass Grynszpan sich in Toulouse aufhält.»
«Wenn dem so ist, was macht Geißler dann in Vichy?»
«Er richtet die Kundt-Kommission ein», sagte Bömelburg. «Und zu Geißlers Ehrenrettung muss man sagen, dass es eine Weile hieß, Grynszpan sei in Vichy. Aber jetzt scheint Toulouse doch wahrscheinlicher.»
«Bömelburg, korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre», sagte Knochen. «Aber ich meine mich zu erinnern, dass dieses Lager Le Vernet – wo Hauptsturmführer Gunthers Beute vermutet wird – im Département Ariège liegt, mitten in den Pyrenäen. Das ist doch ganz in der Nähe von Toulouse, oder?»
«Ganz recht, Standartenführer», bestätigte Bömelburg. «Toulouse liegt im benachbarten Département Haute-Garonne, rund sechzig Kilometer nördlich von Le Vernet.»
«Dann sollten Sie und Hauptsturmführer Gunther zusehen, dass Sie
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