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Mission Walhalla

Mission Walhalla

Titel: Mission Walhalla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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nach Toulouse kommen», sagte Knochen. «Am besten schon übermorgen. Bömelburg, Sie können in Toulouse bleiben und nach Grynszpan suchen, während Gunther weiter nach Le Vernet fährt. Der Marquis soll irgendwen aussuchen, der Gunther und Kestner begleitet, um möglicherweise aufgebrachte französische Gemüter zu beruhigen. Unterdessen werde ich den alten Pétain in Vichy per Telegramm über alles in Kenntnis setzen. Wenn Sie erst einmal da unten sind, wissen wir bestimmt genauer, wen wir festnehmen und wen wir lieber vor Ort lassen sollten.»
    «Gibt es Zugverbindungen dahin, Standartenführer?» Die Frage kam von Kestner.
    «Ich fürchte nein.»
    «Wie ärgerlich. Das wird eine lange Fahrt. Etwa sechshundert Kilometer. Vielleicht sollten wir uns ein Beispiel am Führer nehmen und von Le Bourget aus runterfliegen. Dann wären wir in zwei Stunden in Biarritz, und von dort könnte uns eine motorisierte Einheit der SSVT oder der GFP nach Le Vernet und Toulouse bringen.»
    «Einverstanden.» Knochen sah Hagen an. «Kümmern Sie sich darum. Und finden Sie raus, ob es so weit südlich irgendwelche motorisierten SS -Einheiten gibt.»
    «Jawohl, Standartenführer, die gibt es», sagte Hagen. «Womit nur noch die Frage bleibt, ob die Herren Uniform tragen sollten, wenn sie die Demarkationslinie überqueren.»
    «Eine Offiziersuniform würde uns mehr Autorität verleihen, Standartenführer», argumentierte Kestner.
    «Gunther? Was meinen Sie?», fragte Knochen.
    «Ich stimme Hauptsturmführer Kestner zu. Wer sich ergeben hat, sollte daran erinnert werden, dass dem ein Krieg vorausgegangen ist. Ich finde, nach 1918 würde es den Franzosen gut zu Gesicht stehen, ein wenig Demut zu lernen. Wenn sie uns in Versailles fairer behandelt hätten, wären wir jetzt vielleicht nicht hier. Also sehe ich keinen Grund dafür, ihnen die bittere Pille zu versüßen, die sie schlucken müssen. Es ist schließlich nicht zu bestreiten, dass sie gerade fürchterlich einen auf die Mütze bekommen haben. Je früher sie das einsehen, desto früher können wir alle wieder nach Hause. Ich bin hier, um einen Mann festzunehmen, der zwei Polizisten ermordet hat. Und dabei ist mir piepegal, ob ein paar Franzmänner was gegen meine Manieren haben. Seit ich Uniform trage, kümmern mich gute Umgangsformen nicht mehr. Ich könnte meine Uniform ablegen und vorgeben, etwas zu sein, das ich nicht bin, um guten Willen zu zeigen, aber ich werde nicht einen auf diplomatisch und liebenswürdig machen, um Rücksicht auf ihre sensiblen Gemüter zu nehmen. Französischer Charme war mir schon immer suspekt.»
    «Bravo, Hauptsturmführer», sagte Knochen. «Das war eine mitreißende Rede.»
    Möglicherweise war sie das, und einen Teil davon glaubte ich vielleicht sogar selbst. Eines stimmte auf jeden Fall: Je eher ich wieder nach Hause fuhr, desto wohler würde ich mich in meiner Haut fühlen. Antisemiten wie Herbert Hagen erinnerten mich daran, warum ich nie Nazi geworden war. Und der Sieg über die Franzosen hin oder her: Meine instinktive Abneigung gegen Adolf Hitler würde ich nie überwinden.
    Am Nachmittag besichtigte ich den Invalidendom. Er hatte was von einem Nazi-Bauwerk. Auf der Eingangstür prangte mehr Gold, als das ganze Tal der Könige parat hielt, im Inneren glich die Atmosphäre jedoch eher der einer öffentlichen Badeanstalt. Napoleons Grabmal war aus mahagonifarbenem Marmor gefertigt und sah aus wie eine überdimensionale Teedose. Nur zwei Wochen zuvor hatte Hitler den Invalidendom besucht. Und bestimmt war ich in Frankreich nicht der Einzige, dem es lieber gewesen wäre, wenn nicht Kaiser Napoleon, sondern der Führer in diesem riesigen Sarkophag begraben läge, in fünf Särgen. Nachdem er von der Insel Elba geflohen war, wollte man vermutlich verhindern, dass er seine letzte Ruhestätte wieder verließ wie Dracula. Vielleicht hatten sie ihm ja sogar einen Pfahl durchs Herz gerammt, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Auch Hitler sollte man vorsichtshalber in Einzelteilen beerdigen. Mit dem Eiffelturm durchs Herz.
    Ich hatte einen Fotoapparat dabei, wie jeder andere Deutsche in jenem Sommer in Paris. Also spazierte ich herum und machte ein paar Aufnahmen. Auf dem Champ du Mars fotografierte ich deutsche Soldaten, die sich gerade von einem Gendarmen den Weg erklären ließen. Als der Gendarm mich entdeckte, salutierte er zackig, als ob er die Autorität einer deutschen Offiziersuniform ernsthaft anerkennen würde. Ich wunderte mich über die

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