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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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seiner Halbschuhe auf den trockenen, toten Blättern ein lautes, raschelndes Geräusch machten. Dann blieb er stehen und wandte sich noch einmal um.
    »He, Dave! Wenn ich mit jemand ein Problem regeln muß, dann bekommt derjenige dieses Gesicht zu sehen. Darüber denk’ mal nach.«
    Er ging ein paar Schritte, drehte sich dann wieder um, sein Stachelhaar und das gebräunte Gesicht gesprenkelt von Sonne und Schatten.
    »He, erinnerst du dich noch, als wir hier Ball gespielt und uns gegenseitig zugeschrien haben: ›Ich laß dein Traumsäckchen baumeln‹?«, sagte er grinsend und umspannte durch den Hosenstoff hindurch sein Glied. »Das waren noch Tage, Partner!«
    Ich kaufte einen kleinen Beutel mit zerstoßenem Eis, nahm ihn mit zurück ins Büro und ließ es in einem sauberen Plastikeimer schmelzen. Alle fünfzehn Minuten tauchte ich ein Handtuch in das kalte Wasser, drückte es mir ans Gesicht und zählte jedesmal bis sechzig. Es war nicht die angenehmste Art, einen Nachmittag zu verbringen, aber so kam ich wenigstens darum herum, am nächsten Morgen mit einem Gesicht wie eine schiefe Pflaume aufzuwachen.
    Dann, kurz vor Dienstschluß, setzte ich mich an den Schreibtisch in meinem kleinen Büro, während die Nachmittagssonne auf die Zuckerrohrfelder jenseits der Straße niederbrannte, und sah mir noch einmal die Akte an, die uns die Polizei von New Orleans über Victor Romero geschickt hatte. Auf den erkennungsdienstlichen Fotos hingen ihm die schwarzen Locken über die ganze Breite der Stirn und die Ohren. Wie bei allen Polizeifotos waren die Schwarzweißkontraste stark ausgeprägt. Sein Haar glänzte wie geölt, seine Haut hatte die Farbe von Knochen, die unrasierten Wangen und das Kinn wirkten wie rußgeschwärzt.
    Seine kriminelle Karriere war nicht gerade bemerkenswert. Vier Festnahmen wegen kleinerer Vergehen, eine wegen Begünstigung von Prostitution; wegen Besitzes von Einbruchswerkzeug hatte er einhundertacht Tage im Bezirksgefängnis abgesessen; außerordentlich hohe Bußgelder wegen Nichterscheinens vor Gericht. Aber entgegen der gängigen Meinung verrät ein Strafregisterauszug oft wenig über einen Verdächtigen. Er listet lediglich jene Verbrechen auf, deretwegen er angeklagt worden ist, nicht aber jene anderen hundert, die er vielleicht begangen hat. Ebensowenig bietet er eine Erklärung dafür, was im Kopf eines Mannes wie Victor Romero vorgehen mag.
    Seine Augen waren auf den Fotos ohne jeden Ausdruck. Ebensogut hätte er gerade auf den Bus warten können, als die Kameraverschlüsse klickten. War das der Mann, der Annie mit einem Schrotgewehr ermordet hatte, der eiskalt eine gezielte Ladung Schrot auf sie abgefeuert hatte, während sie schrie und versucht hatte, ihr Gesicht mit den Armen zu schützen? War er aus denselben Knorpeln, Sehnen und Knochen gemacht wie ich? Oder war sein Gehirn heiß aus einem Brennofen gekommen? Waren die Teile, aus denen er bestand, in einem stiebenden Funkenregen auf dem Amboß eines Teufels zusammengehämmert worden?
    Am folgenden Morgen kam der Anruf vom Sheriffbüro des St. Martin Parish. Ein Schwarzer, der in seinem Einbaum am Henderson-See angeln gewesen war, hatte ins Wasser geschaut und ein versunkenes Auto entdeckt. Ein Polizeitaucher war gerade unten und untersuchte es. Bei dem Automobil handelte es sich um einen hellbraunen Toyota, und der Fahrer saß noch drin. Der Gerichtsarzt des Bezirks und ein Bergungsfahrzeug waren auf dem Weg von St. Martinville dorthin.
    Ich rief Minos bei der DEA in Lafayette an und forderte ihn auf, sich an der Fundstelle mit mir zu treffen.
    »Ich bin beeindruckt«, sagte er. »Das ist professionell, das ist Zusammenarbeit. Wer behauptet denn, daß ihr Burschen Dorfdeppen seid?«
    »Halten Sie die Luft an, Minos.«
    Zwanzig Minuten später waren Cecil und ich an dem See, eigentlich ein Ausläufer des Atchafalaya-Sumpfes. Es war bereits heiß, die Sonne glitzerte auf der riesigen Wasseroberfläche, und die Weideninseln wirkten still und grün in der Hitze. Angler versuchten spät am Morgen noch ihr Glück bei Schnäppern und Barschen, standen zwischen den Stützpfeilern der Ölbohrplattformen, in den zahlreichen Buchten oder im Schatten der langgestreckten Betondammstraße, die sich durch die ganze Marsch dehnte. Hühnerhabichte segelten hoch im Aufwind und zeichneten ihre Konturen in den weißlichen Himmel. Ich roch den toten Fisch zwischen den Seerosen und Rohrkolben, die an den Ufern wuchsen. Weiter draußen ragten die schwarzen

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