Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ich ihn schon seit meiner Kindheit kannte, war es ihm immer noch unbehaglich, wenn ich, ein weißer Mann, ihn so persönlich ansprach.
»Wo ist Alafair jetzt?« fragte ich.
»Bei meiner Frau und den Mädchen. Ihr geht’s gut. Mach dir nur keine Sorgen, nein. Weißt du, daß sie französisch spricht, die? Wir machen gerade Sandwich, und ich sage pain, und sie weiß, es heißt Brot, ja. Ich sage sauce piquante. Sie weiß, es bedeutet scharfe Sauce. Wie kommt es bloß, daß sie das weiß, Dave?«
»Die spanische Sprache hat viele Wörter mit der unseren gemein.«
»Oh«, sagte er und wurde ganz nachdenklich. Und dann: »Wie kommt das?«
Annie kam durch die Tür und rettete mich vor weiteren Erklärungen. Batist war besessen davon, alles verstehen zu wollen, was seiner eigenen Welt fremd war, doch dazu mußte er jede Information erst in ihre Einzelteile zerlegen, bis sie sich in jenen seltsamen afro-kreolisch-frankokanadischen Bezugsrahmen fügte, der für ihn so selbstverständlich war wie die durchbohrte Zwanzig-Cent-Münze an seinem Fußknöchel, um den gris-gris zu verscheuchen, einen bösen Zauber, mit dem ein traiteur oder Hexer jemanden belegen konnte.
Annie blieb den ganzen Abend bei mir, während das Licht auf den Bäumen draußen weicher wurde und die Schatten auf dem Rasen länger, der Himmel sich im Westen rötlich-orange verfärbte wie die Flamme einer angezündeten Chemikalie und junge Leute von den High Schools über die Bürgersteige zu einem Baseballspiel der American Legion im Park schlenderten. Durch das geöffnete Fenster roch ich die Barbecue-Feuer und Wassersprenger, blühende Magnolien und den nächtlich aufblühenden Jasmin. Dann verdunkelte sich der Himmel, und in den Regenwolken im Süden zuckten grellweiß gezackte Blitze wie ein Adergeflecht.
Annie lag neben mir, rieb meine Brust, berührte mein Gesicht mit den Fingern und küßte mich auf die Augen.
»Nimm den Eisbeutel weg und schieb den Stuhl unter die Türklinke«, sagte ich.
»Nein, Dave.«
»Doch, das geht in Ordnung. Der Arzt sagt, das ist kein Problem.«
Sie küßte mich aufs Ohr und flüsterte dann: »Heute nacht nicht, mein Kleiner.«
Ich mußte schwer schlucken.
»Annie, bitte«, sagte ich.
Sie stützte sich auf einen Ellbogen und schaute mir neugierig ins Gesicht.
»Was ist denn?« sagte sie.
»Ich brauche dich. Du bist meine Frau.«
Sie runzelte die Stirn, blickte mir in die Augen und schaute dann weg.
»Sag mir, was es ist.«
»Willst du’s wirklich wissen?«
»Dave, du bist mein ein und alles. Wie könnte ich es denn nicht wissen wollen?«
»Diese Schweinehunde haben mich niedergezwungen auf Hände Und Knie und mich bearbeitet wie einen Hund.«
Ich sah Schmerz in ihren Augen. Ihre Hand strich über meine Wange, dann über meine Kehle.
»Irgend jemand wird sie schon erwischen. Das weißt du.«
»Nein, die jagen bloß die Schmalspurganoven. Aber die gehören zu den ganz großen Schweinen. Und der einzige, mit dem sie sich ernsthaft auseinandersetzen müssen, ist ein Reinigungsfritze in einem Sheriffskostüm.«
»Du hast es doch aufgegeben. Wir haben jetzt ein gutes Leben. Das hier ist der Ort, an den du immer zurückkehren wolltest. Jeder im Ort mag dich und respektiert dich. Und die Leute vom Bayou sind die besten Freunde, die man haben kann. Und jetzt haben wir auch noch Alafair. Wie kannst du nur zulassen, daß ein paar Kriminelle das alles in Gefahr bringen?«
»So funktioniert das nicht.«
»Doch, das tut es sehr wohl. Du mußt nur das sehen, was mit deinem Leben stimmt, und nicht das, was daran falsch ist.«
»Wirst du jetzt wohl den Stuhl vor die Tür schieben?«
Sie blieb still neben mir liegen. Ihr Gesicht war ruhig und gesammelt. Dann schaltete sie das Licht am Kopfende aus und zog den schweren Ledersessel zur Tür, bis die Rückenlehne unter der Klinke klemmte. Im Mondlicht, das durch das Fenster fiel, sah ihr lockiges Haar aus, als sei es mit Silber gesprenkelt. Sie zog das Deckbett zurück und nahm den Eisbeutel weg, berührte mich dann mit ihrer Hand. Der Schmerz war so stark, daß meine Knie hochzuckten.
Ich hörte ihren Seufzer, als sie sich auf die Bettkante setzte.
»Müssen wir denn immer miteinander kämpfen, wenn wir ein Problem haben?« fragte sie.
»Ich kämpfe nicht mit dir, Kleine.«
»Doch, das tust du. Du kannst dich von der Vergangenheit nicht freimachen, Dave. Du wirst verletzt oder du siehst etwas, das auf dieser Welt nicht richtig ist, und schon fällst du wieder in
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