Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Fachwerkhauses, wohin er mich gewiesen hatte, war überwachsen von nassem Unkraut und übersät mit den Schrotteilen von Autos und Waschmaschinen. Ich steuerte in eine Durchfahrt und versuchte, in die hintersten Fenster zu schauen, doch die Jalousien waren wegen der grellen Nachmittagssonne geschlossen. Ich hörte ein Baby schreien. Müllsäcke, die nach verrottetem Fisch stanken, stapelten sich auf den Hintertreppen, und die Windeln auf der Wäscheleine waren durch das Waschen von Hand grau und fadenscheinig. Ich ging ums Haus und klopfte an der Vordertür.
Ein kleiner, verängstigter Schwarzer mit einem Gesicht wie ein Bratapfel trat bis auf einen Meter vor die Fliegendrahttür und schaute aus dem Dämmerlicht zu mir heraus.
»Wo ist Toot?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf, als verstehe er mich nicht. »Toot«, sagte ich noch einmal.
Er wandte mir die Handflächen zu und wedelte damit. Seine Augen leuchteten im Dunkeln rot. Zwei Kinder saßen auf dem Fußboden und malten ein Buch mit Farbstiften aus. Eine breithüftige Frau mit einem Säugling auf der Schulter musterte mich von der Küchentür aus.
» Vous connaissez un komme qui s’appelle Toot? « sagte ich.
Er antwortete mir in einem Mischmasch aus Französisch, Englisch und vielleicht Afrikanisch, das mir unverständlich blieb. Außerdem war er eingeschüchtert.
»Ich bin nicht von der Einwanderungsbehörde«, sagte ich. » Comprenez? Pas Immigration. «
Aber das kaufte er mir nicht ab. Ich konnte weder seine Furcht überwinden, noch ihn dazu bringen, meine Worte zu verstehen, und dann machte ich die Sache nur noch schlimmer, indem ich noch einmal nach Toot fragte und dabei das Wort tonton macoute gebrauchte. Die Augen des Mannes wurden weit, und er schluckte, als habe er einen Kiesel in der Kehle.
Aber es war alles hoffnungslos. Gute Arbeit, Robicheaux, dachte ich. Jetzt würden diese armen Menschen wahrscheinlich tagelang verängstigt sein, jedesmal zusammenzucken, wenn draußen vor ihrer Tür ein Auto langsamer wurde. Sie würden sich nie vorstellen können, wer ich war, und annehmen, daß ich nur der Auftakt zu viel Schlimmerem wäre. Dann hatte ich eine Idee. Polizisten und Beamte der Einwanderungsbehörde gaben illegalen Einwanderern kein Geld.
Ich entnahm meiner Brieftasche einen Fünf-Dollar-Schein, kniff ihn der Länge nach zusammen und schob ihn durch den Spalt in der eingehakten Fliegendrahttür.
»Das ist für Ihr Baby‹, sagte ich. » Pour vot’ enfant. «
Er starrte mich stumpfsinnig an. Als ich von meinem Pickup aus zurück auf die Fliegendrahttür schaute, starrten beide, er und seine Frau, mir noch immer nach.
Ich kaufte in einem Negerladen ein Stück Käse, ein halbes Pfund Schinken in Scheiben, eine Zwiebel, einen Laib französisches Weißbrot und einen Liter Milch, parkte neben dem Friedhof und aß mein Abendbrot, während im purpurnen Zwielicht der Regen einsetzte. Drüben an der Basin Street sah ich eine Neonreklame für Jax-Bier über einer Bar.
Wenn man einen Kerl wie Toot nicht in seinem Bau festnageln kann, dann hält man dort nach ihm Ausschau, wo er vermutlich seinen Neigungen frönen kann. Die meisten gewalttätigen Männer mögen Frauen. Perverse prügeln sie durch, ein angeheuerter Killer nimmt sie als Belohnung für seinen Erfolg und zur Bestätigung seiner Macht. Ich kannte so ziemlich jede Neger– und Halbblutbar und jeden Puff in New Orleans. Es würde eine lange Nacht werden.
Ich war völlig erschöpft, als morgens die Sonne aufging. Gegen drei Uhr früh hatte es zu regnen aufgehört, und jetzt trockneten die Wasserpfützen auf der Straße in der heißen Sonne, und man konnte die Feuchtigkeit und Hitze spüren, die wie Dampfschwaden vom Beton aufstiegen.
In den Toilettenräumen einer Tankstelle putzte ich mir die Zähne und rasierte mich. Meine Augen waren rot umrändert, meine Gesichtszüge scharf vor Erschöpfung. Ich war im Laufe der Nacht durch ein gutes Dutzend halbseidener Negerbars gestreift, man hatte mir Anträge gemacht, mich bedroht oder ignoriert, doch niemand kannte einen Haitianer namens Toot.
Im Café du Monde trank ich Kaffee, tunkte Hörnchen hinein und unternahm dann einen letzten Versuch in der näheren Umgebung des Friedhofs. Inzwischen war mein Gesicht zwischen Iberville und St. Louis Avenue so bekannt, daß die Besitzer von Lebensmittelläden, Drugstores und die Barmänner in die andere Richtung schauten; sobald sie mich kommen sahen. Die Sonne stand grellweiß am Himmel;
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