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Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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ein rostiger Schmierfleck auf dem nassen Boden geblieben war. Die Brise, die vom Bayou her wehte, hatte noch Kraft genug, die Mückenschwärme zurück in die Bäume zu treiben, und ich saß im letzten Dämmerlicht der rot untergehenden Sonne auf dem Stumpf einer abgestorbenen Zypresse und aß mein Abendbrot. Das kupferfarbene, klare Wasser floß über die Felsen auf dem Grund des Bächleins, und ich konnte kleine Brassen entdecken, die sich unter dem in der Strömung wogenden Moos versteckten. Entlang dieser Uferbänke hatten mein Vater, mein Bruder und ich einen Korb voller Miniékugeln, Blechstücke und Schrapnelle, Kettenglieder und kleingestückelte Hufeisen ausgebuddelt, die von den Kanonen der Union auf die Nachhut der Konföderierten abgefeuert worden waren. Wir benutzten Harken, um die Ranken und feuchten Schichten toter Blätter von den Bachböschungen loszureißen, und oft fielen uns die Miniékugeln aus dem Lehm entgegen wie weiße Zähne. Sie waren am einen Ende konisch, hatten eine Einkerbung und drei geriffelte Ringe am anderen Ende und lagen schwer und glatt auf der Hand.
    In unserer Unschuld dachten wir nicht daran, daß sie dazu gemacht waren, die Muskeln von Knochen zu fetzen, sich durch Gewebe und Adergeflecht zu bohren, Kinn und Zunge von einem Gesicht zu reißen. Ich mußte erst ein Neokolonialist werden und übers Meer fahren, um diese einfache Tatsache zu lernen. Ich mußte erst selbst erfahren, was eine explodierende Schrotladung anrichten konnte, abgefeuert von einem Mann, dessen Mission darin bestand, menschliches Elend zu erzeugen und es auf Polaroid zu bannen.
    Ich legte mein Eßbesteck beiseite, riß die Blüten von einer lachsfarbenen Rose und sah zu, wie sie im Wasser trieben, mitgerissen wurden, vorbei an kleinen Wirbeln um die Stengel der Wasserfarne, hinaus ins rote Sonnenlicht. Ich hatte über mehr nachzudenken, als mir lieb war. Gewiß, ich war nüchtern; die körperlichen Qualen meines letzten Rückfalls waren verflogen, und die Bestie schien wieder im Käfig zu sein; doch ich mußte mich etlichen Dingen stellen, und aus Erfahrung wußte ich, daß eine solche Langzeitplanung mich wieder in den Suff treiben konnte. Morgen mittag wollte ich zu einer AA-Versammlung gehen und meinen Ausrutscher vor der versammelten Gruppe bekennen, was alles andere als leicht war. Ich hatte nicht nur mich enttäuscht, sondern auch das Vertrauen meiner Freunde mißbraucht.
    Ich klopfte mein Eßbesteck an dem Zypressenstumpf ab und legte es zurück in den Rucksack. Mir war, als hörte ich von der Straße her eine Autotür, doch ich achtete kaum darauf. Schatten hatte sich über die Lichtung gelegt, und die Mücken sammelten sich jetzt in Bäumen und Unterholz zu dichten Schwärmen. Ich streifte mir einen Rucksackriemen über die Schulter und marschierte durch die Piniensetzlinge in das letzte rote Glühen der Sonne oberhalb des Hauptwegs.
    Durch die Baumstämme nahm ich die dunkle Silhouette eines Mannes wahr, der neben einem hellbraunen, am Weg parkenden Toyota stand. Er stand auf der anderen Seite der Motorhaube und schaute bewegungslos zu mir. Einen Moment lang konnte ich ihn wegen eines überhängenden Eichenasts überhaupt nicht sehen. Dann wurde der Baumbestand dünner, und ich sah ihn plötzlich einen Karabiner an die Schulter reißen, die Lederschlaufe fest um den linken Unterarm geschlungen, sah die Linse eines Zielfernrohrs dunkel aufleuchten, wie den Widerschein eines Kaminfeuers in einem Whiskeyglas, sah, wie er sich behende wie ein Scharfschütze, der nie verfehlt und seinen Treffer genau zwischen Brustbein und Kehle plaziert, mit Brust und Ellbogen auf das flache Autodach stützte.
    Ich sprang zur Seite und rollte mich genau in dem Moment durch das Gebüsch ab, als das Gewehr aufbrüllte und eine Kugel Blätter aus den Zweigen riß und splitternd die Rinde einer Pinie traf, so daß es klang, als sei sie von einer Kettensäge angekratzt worden. Ich hörte, wie er durchlud, hörte sogar die leere Patrone vom Autoblech abprallen, doch jetzt rannte ich im Zickzack durch den Wald, Pinienzweige peitschten mir über Gesicht und Brust, und der Teppich abgestorbener Blätter unter meinen Füßen machte explosionsartige Geräusche. Ich hatte die Leinengurte meines Rucksacks inzwischen um mein linkes Handgelenk geschlungen, und als der zweite Schuß losging, durchs Unterholz fetzte und sirrend von der Mauer der Pflanzervilla abprallte, ließ ich mich auf den Bauch fallen, riß die Lasche des

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