Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
und beobachtete eine Hummel, die über eine der weißen Blüten schwebte.
»Wenn wir von diesen Patronenhülsen einen Fingerabdruck bekommen, möchte ich ihn nach New Orleans schicken«, sagte ich.
»Warum?«
»Die Spurensicherung hat das Radio untersucht, das bei dem Haitianer in der Badewanne lag. Vielleicht gibt es eine Verbindung zu unserem Schützen.«
»Wie das?«
»Wer weiß. Ich möchte, daß New Orleans uns eine Kopie von Victor Romeros Strafakte und seinen Fingerabdrücken gibt.«
»Sie glauben, daß er der Schütze gewesen ist?«
»Vielleicht.«
»Was ist das Motiv?«
»Verdammt, wenn ich das wüßte!«
»Dave, glauben Sie nicht, daß Sie hier vielleicht zu viele Sachen miteinander in Verbindung bringen? Ich meine, Sie wollen die Killer Ihrer Frau schnappen. Aber Sie haben nur eine Gruppe Verdächtiger die Sie in die Finger kriegen können. Vielleicht sehen Sie inzwischen Verbindungen, wo keine sind. Wie Sie schon sagten, Sie haben dafür gesorgt, daß eine Menge Leute in Angola sitzen.«
»Wenn einen ein Ex-Knacki erledigen will, möchte er, daß man sein Gesicht sieht und ein paar Erinnerungen mit ihm teilt. Der Kerl, der gestern abend auf mich geschossen hat, hat es für Geld getan. Ich kenne ihn nicht.«
»Nun ja, vielleicht taucht ja das Auto irgendwo auf. Mir ist schleierhaft, wie er es mit all den Löchern drin überhaupt aus unserem Sprengel geschafft hat.«
»Er hat’s verschwinden lassen, und jetzt ist es irgendwo im Bayou oder in einer Werkstatt. Das finden wir nie. Jedenfalls nicht in nächster Zeit.«
»Sie sind wirklich ein Optimist, stimmt’s?«
Ich verbrachte den ganzen Tag mit den für einen Detective in einem ländlichen Polizeisprengel typischen Routineuntersuchungen. Es machte mir keinen Spaß. Aus irgendeinem Grund – wahrscheinlich, weil er Angst hatte, daß ich wieder davonlief – hatte mir der Sheriff einen uniformierten Deputy namens Cecil Aguillard zugeteilt, einen riesenhaften, geistig etwas unbeweglichen Landburschen. Er war eine Mischung aus Cajun, Neger und Chitimacha-Indianer; seine Haut hatte die Farbe gebrannter Ziegel, und er hatte winzige, türkisgrüne Augen und ein fladenplattes Gesicht, auf dem man eine Zaunlatte hätte zerbrechen können, ohne daß er eine Miene verzog. Er fuhr bei hundert Stundenkilometern mit einer Hand, spuckte Kautabak aus dem Fenster und trat die Pedale mit soviel Wucht, daß er den Gummi vom Metall abgewetzt hatte.
Wir untersuchten eine Messerstecherei in einer Negerbar, unsittliche Handlungen an einem geistig zurückgebliebenen Mädchen durch den Onkel, eine Brandstiftung, bei der ein Mann sein Anglercamp in Feuer gesteckt hatte, weil sich seine betrunkenen Gäste am Morgen nach einem Saufgelage geweigert hatten, sein Grundstück zu verlassen, und am Spätnachmittag kümmerten wir uns um einen bewaffneten Raubüberfall auf ein Lebensmittelgeschäft an der Abbeville Road. Der Besitzer war ein Schwarzer, ein Cousin von Cecil Aguillard, und der Räuber hatte fünfundneunzig Dollar erbeutet, ihn in den Kühlraum gedrängt, ihm mit dem Pistolenknauf eins über dem Auge verpaßt und ihn dann eingesperrt. Als wir ihn befragten, zitterte er immer noch vor Kälte, und sein Auge war zu einem purpurnen Knoten angeschwollen. Er konnte uns nur erzählen, daß der Räuber ein Weißer war, in einem kleinen, braunen Auto mit einem Nummernschild aus einem anderen Bundesstaat vorgefahren, mit einem Hut auf dem Kopf hereinspaziert war und sich dann plötzlich einen Nylonstrumpf übers Gesicht gezogen hatte, so daß nur verschwommen Haut und Haare zu erkennen gewesen seien.
»Noch was. Er hat eine Flasche Apricot Brandy mitgenommen und ’ne Packung Tootsie Roll«, sagte der Neger. »Ich hab’ zu ihm gesagt: ›Ah, so’n großer Mann mit ’ner Waffe, und er lutscht Tootsie Roll‹. Darauf hat er mir ins Gesicht gehauen, der. Ich brauch’ das Geld für das College meiner Tochter in Lafayette. Billig ist das nich’, nein. Ihr beschafft es mir doch wieder?«
Ich schrieb auf mein Klemmbrett, ohne etwas zu erwidern.
»Ihr beschafft’s mir doch wieder, nich’?«
»Manchmal schwer zu sagen.«
Natürlich wußte ich es besser. Ich rechnete damit, daß unser Mann längst in Lake Charles oder Baton Rouge war. Aber Zeit und Gelegenheit werden uns allen gewährt, sogar den Strolchen.
Über Funk hörten wir, daß ein Streifenwagen-Deputy einen hellbraunen Chevette, Baujahr 1981, mit einem Nummernschild aus Florida überprüfte. Er hatte den
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