Mississippi Delta – Blut in den Bayous (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Rocques Frau, die mit einer silbernen Thermosflasche neben dem Fuß und einem Plastikbecher zwischen den Fingern auf meiner Vortreppe saß. Sie trug mexikanische Strohsandalen, beige Shorts und eine kurzgeschnittene weiße Bluse mit aufgedruckten blauen und braunen Tropenvögeln, und im Haar hatte sie eine gelbe Hibiskusblüte stecken. Sie lächelte mir entgegen, als ich, die Jacke über die Schultern geworfen, auf sie zukam. Auch diesmal fiel mir der merkwürdige rötliche Schimmer in ihren braunen Augen auf.
»Ich hab’ einen Platten. Könnten Sie mich vielleicht zurück zu meiner Tante zur West Main fahren?« fragte sie.
»Sicher. Ich kann Ihnen auch den Reifen wechseln.«
»Im Ersatzreifen ist auch keine Luft.« Sie trank aus ihrem Becher. Ihr Mund war rot und feucht, und sie lächelte mich wieder an.
»Wie kommen Sie denn in diese Gegend, Mrs. Rocque?«
»Sagen Sie Claudette zu mir, Dave. Meine Cousine lebt ganz am Ende der Straße. Ungefähr einmal im Monat fahr’ ich rüber nach New Iberia, meine ganze Verwandtschaft besuchen.«
»Verstehe.«
»Halt’ ich Sie auf?«
»Nein, ich brauch’ nur eine Minute.«
Ich forderte sie nicht auf, hereinzukommen. Ich ging hinein, um nach Alafair zu sehen, und sagte der Babysitterin, sie könne ruhig schon Abendessen auftragen, ich würde gleich zurückkommen.
»Helfen Sie einer Dame mal auf die Beine. Ich bin heute abend ein bißchen wacklig«, sagte Claudette Rocque und streckte mir ihre Hand hin. Sie fühlte sich schwer an, als ich sie hochzog. Ihr Atem roch nach Gin und Zigaretten.
»Tut mir leid, das mit Ihrer Frau«, sagte sie.
»Danke.«
»Es ist ganz schrecklich.«
Ich hielt ihr die Tür des Pickup auf, ohne etwas zu erwidern.
Sie setzte sich, den Rücken an die Beifahrertür gedrückt, die Beine leicht auseinander, und ließ den Blick über mein Gesicht wandern.
O Junge, dachte ich. Ich fuhr aus dem Schatten der Pecanobäume auf die Bayoustraße.
»Sie sehen aus, als wär’ Ihnen unbehaglich«, sagte sie.
»Ein langer Tag.«
»Haben Sie Angst vor Bubba?«
»An ihn denk’ ich überhaupt nicht«, log ich.
»Ich glaube nicht, daß Sie sonderlich viel Angst haben.«
»Ich habe Respekt vor dem, was Ihr Mann so in der Reserve hat. Übrigens, entschuldigen Sie, daß ich Sie nicht reingebeten habe. Das Haus ist ein einziges Chaos.«
»Sie lassen sich nicht so leicht in die Enge treiben, wie?«
»Wie schon gesagt, der Tag ist lang gewesen, Mrs. Rocque.«
Sie spitzte übertrieben die Lippen.
»Und Sie weigern sich beharrlich, eine verheiratete Frau beim Vornamen zu nennen. Was für ein mustergültiger Gesetzeshüter Sie doch sind. Möchten Sie einen Gin Rickey?«
»Nein, danke.«
»Sie kränken mich. Hat jemand Ihnen schlimme Sachen über mich erzählt?«
Ich beobachtete, wie ein Hühnerhabicht mit ausgebreiteten Schwingen in Richtung Bayou flog.
»Hat Ihnen jemand erzählt, daß ich in St. Gabriel gewesen bin?« fragte sie. Dann lächelte sie, streckte die Hand aus und fuhr mir mit dem Fingernagel über die Haut oberhalb des Kragens. »Oder vielleicht hat man Ihnen auch erzählt, daß ich kein hundertprozentiges Mädchen bin?«
Ich spürte, wie ihr Blick über mein Gesicht glitt.
»Ah, jetzt hab’ ich den Officer verlegen gemacht. Ich glaube, er ist sogar rot geworden«, sagte sie.
»Wie wär’s, wenn Sie mal ein bißchen langsamer machen, Mrs. Rocque?«
»Aber dann trinken Sie einen mit mir?«
»Was meinen Sie: Wie hoch ist die Chance, daß Sie genau vor meiner Zufahrt einen Platten haben?«
Ihre runden Puppenaugen strahlten, als sie mich über den Rand ihres Trinkbechers anschaute.
»Was für ein scharfsinniger Detective«, sagte sie. »Er denkt jetzt ganz angestrengt nach und fragt sich, was diese böse Frau wohl von ihm will.« Sie rieb ihren Rücken an der Autotür und drückte die Schenkel flach auf den Sitz. »Vielleicht ist die Dame an Ihnen interessiert? Sind Sie auch an mir interessiert?«
»Ich würde Bubba nicht an der Nase rumführen wollen, Mrs. Rocque.«
»Ach je, wie direkt.«
»Sie leben mit ihm. Sie wissen, was für ein Mann er ist. Wäre ich in Ihrer Situation, würde ich mir schon überlegen, was ich tue.«
»Sie sind unverschämt, Mr. Robicheaux.«
»Das können Sie auffassen, wie Sie wollen. Ihr Mann ist wie eine Bombe. Verletzen Sie seinen Stolz, stellen Sie ihn gesellschaftlich bloß, und ich glaube, es kommt derselbe Junge zum Vorschein, der seinen verkrüppelten Cousin samt Rollstuhl in einen Bach
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