Mistelzweig und Weihnachtskuesse
bei ihm geduscht. Offenbar hielt er sie für eine verarmte Obdachlose.
„Ich brauche Ihre Almosen nicht“, verkündete sie und erhob sich.
Bevor sie aus dem Zimmer stürmen konnte, griff er nach ihrer Hand.
„Das ist kein Almosen“, erwiderte er und zog sie zurück, bis sie dicht an seinem Bett stand. „Seien Sie nicht böse.“
Seine dunklen Augen weiteten sich leicht, und sie versuchte, darin seine Gedanken zu lesen. Sie konnte kein Mitleid entdecken, aber woher sollte sie es wissen?
Da er erneut auffordernd an ihrer Hand zog, blieb Holly nichts anderes übrig, als sich neben ihm auf das Bett zu setzen. Als sie bemerkte, dass er seine Finger weiter mit den ihren verschränkt hielt, beschleunigte sich ihr Atem. Das war keine medizinische Berührung mehr. Das war … Nun, sie war nicht sicher, was es war. Doch ihr Herz hämmerte rasend schnell gegen die Rippen, und das Denken fiel ihr schwer.
„Das Haus muss renoviert werden“, sagte er leise. „Sie sind die Expertin in der Stadt.“
„Bestimmt gibt es andere, die genauso qualifiziert sind wie ich.“
„Niemand, den ich kenne.“
„Das ist doch ein ausgeklügelter Trick“, beschwerte sie sich. „Sie bieten mir ein Zimmer an, weil ich Ihnen leidtue.“
Mit dem Daumen strich er über ihre Handfläche und sabotierte damit die letzten funktionsfähigen Synapsen in ihrem Gehirn. Sie starrte ihm ins Gesicht, auf sein kantiges Kinn und den entschlossenen Mund. Kurze Stoppeln verdunkelten seine Wangen. Sie saß so nah bei ihm, dass sie die Lachfältchen um seine Augen und den kleinen Buckel auf dem Nasenrücken erkennen konnte.
Alles an ihm war anders: wie er redete, wie er roch, die Form seines Körpers. Die Gegensätze zwischen ihnen verstörten Holly und machten sie gleichzeitig neugierig.
„Ich biete Ihnen aus zwei Gründen ein Zimmer an: Erstens mag ich Ihre Gesellschaft. Und zweitens finde ich es zu gefährlich, in dem Laden zu wohnen. Die Einkaufszone ist nachts menschenleer. Wenn etwas passiert, sind Sie in dem Viertel auf sich gestellt.“
Er mag meine Gesellschaft. Heißt das nicht auch, dass er mich mag?
Das Angebot war verlockend. Nicht nur wegen Jordan – obwohl er die größte Versuchung darstellte. Sondern auch, weil sie sich nach einem richtigen Zuhause sehnte. Wenn sie annahm, könnte sie jeden Tag duschen und in einer Küche mit mehr als einer Herdplatte kochen. Sie könnte in einem normalen Bett schlafen anstatt in einem Schlafsack auf einem ungemütlichen altmodischen Sofa.
„Sagen Sie ja“, befahl er.
Um besser nachdenken zu können, entzog sie ihm die Hand. „Mistletoe müsste mitkommen. Ich kann sie nicht im Laden allein lassen“, warf sie ein.
Jordan atmete hörbar aus. „Das dachte ich mir. Auch Mistletoe kann hier wohnen.“
„Sie ist Ihnen wirklich dankbar“, beteuerte Holly.
„Ja, schon klar. Das merkt man. Also, wie sieht’s aus? Helfen Sie mir, oder lassen Sie mich kaltherzig hängen?“ Er ließ es absichtlich so aussehen, als täte sie ihm einen Gefallen, obwohl es in Wirklichkeit umgekehrt war.
Es war verlockend. Sehr verlockend. Holly hatte noch nie mit einem Mann zusammengelebt, und wahrscheinlich würde sie auch nie wieder bei so einem wie Jordan wohnen. Sollte sie nicht einfach die Gelegenheit beim Schopf packen und dankbar sein?
„Louise wird auch hier sein“, setzte er hinzu.
„Schön! Ich mag Louise.“
Das ignorierte er. „Damit meinte ich, dass Sie keine Angst haben müssen. Sie wird als Anstandsdame hierbleiben.“
Glaubte er etwa, sie fürchtete sich, weil er ihr zu nahe kommen könnte? Bevor sie sich bremsen konnte, brach Holly in Gelächter aus.
Jordan fand das weniger lustig. „Ich glaube, ich wurde gerade beleidigt“, grummelte er.
„Nein“, sagte sie rasch, um ihn zu beschwichtigen. „Ich habe nicht über Sie gelacht. Ich schätze Ihre Sorge, aber ich habe keine Angst, dass …“ Ihr Hals zog sich zu. „Na ja,dass Sie … Sie wissen schon.“
Noch immer sah er ratlos und etwas verärgert aus.
Sie holte tief Luft. „Ich weiß, dass Sie sich niemals für jemanden wie mich interessieren würden.“
„Warum nicht?“, fragte er sofort.
Als sie antworten wollte, fehlten ihr die Worte. Warum nicht? Es war doch offensichtlich. Weil er Jordan Haynes war. Sie hingegen war nur eine naive Frau, die keine Ahnung von Männern hatte. „Tja, ich weiß nicht viel über Männer, aber es gibt sicher Hunderte von Gründen.“
„Nennen Sie mir einen.“
Aus dem Stegreif hätte
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