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Mister Aufziehvogel

Mister Aufziehvogel

Titel: Mister Aufziehvogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Papiertücher oder geblümtes Klosettpapier benutzt hatte.
    »Und wo wir schon dabei sind, will ich dir noch eins sagen«, fuhr sie fort. »Ich ver abscheue pfannengerührtes Rindfleisch mit grünen Paprikaschoten. Wußtest du das?«
    »Nein, das ist mir neu«, sagte ich.
    »Nun, es ist aber so. Und frag mich nicht, warum. Ich kann den Geruch der beiden Dinge, die zusammen in derselben Pfanne braten, einfach nicht ausstehen.«
    »Willst du damit sagen, daß du in sechs Jahren kein einziges Mal Rindfleisch und grüne Paprikas zusammen gekocht hast?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Grüne Paprikas esse ich im Salat. Rind brate ich mit Zwiebeln. Aber ich habe noch niemals Rindfleisch und grüne Paprikas zusammen in einem Topf zubereitet.« Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. »Hast du dich nie darüber gewundert?« fragte sie.
    »Darüber gewundert? Es ist mir überhaupt nie aufgefallen«, sagte ich und dachte einen Augenblick lang nach, ob ich seit unserer Heirat nicht doch wenigstens einmal etwas Pfannengerührtes mit Rindfleisch und grünen Paprikaschoten gegessen hatte. Natürlich konnte ich mich unmöglich daran erinnern.
    »Du lebst schon so lange mit mir zusammen«, sagte sie, »aber du nimmst mich kaum wahr. Der einzige Mensch, an den du jemals denkst, bist du.«
    »Also jetzt Moment mal«, sagte ich, schaltete das Gas aus und stellte den Wok auf dem Herd ab. »Laß uns jetzt bitte nicht übertreiben. Vielleicht hast du recht. Vielleicht habe ich Dingen wie Papiertaschentüchern und Klopapier und Rindfleisch und grünen Paprikaschoten bislang wirklich nicht genügend Beachtung geschenkt. Aber das bedeutet noch lange nicht, daß ich dich nicht wahrgenommen hätte. Es ist mir absolut scheiß-egal, welche Farbe meine Papiertücher haben. Schön, mit schwarzen hätte ich wohl gewisse Probleme, aber weiß, blau - es spielt einfach keine Rolle. Das gleiche mit Rind und grünen Paprikas. Zusammen, getrennt, wen schert’s? Der Akt des Pfannenrührens von Rindfleisch und grünen Paprikas könnte vom Antlitz der Erde verschwinden, und es wäre mir egal. Es hat nichts mit dir zu tun, mit deiner Essenz, mit Kumikos Kumiko-Sein. Oder habe ich unrecht?«
    Anstatt mir zu antworten, putzte sie ihr Bier in zwei langen Zügen weg und starrte die leere Flasche an.
    Ich kippte den Inhalt des Wok in den Mülleimer. Soviel zum Thema Rindfleisch und grüne Paprikas und Zwiebeln und Sojasprossen. Absurd. Nahrung in der einen Minute, Abfall in der nächsten. Ich machte ein Bier auf und trank aus der Flasche.
    »Warum hast du das getan?« fragte sie. »Wenn es dir so zuwider ist -«
    » Du hättest es doch essen können.«
    »Auf einmal war mir nicht mehr nach Rindfleisch mit grünen Paprikas.« Sie zuckte die Achseln. »Ganz wie du möchtest.«
    Sie legte die Arme auf den Tisch und vergrub ihr Gesicht darin. Eine Zeitlang blieb sie so sitzen. Ich konnte sehen, daß sie nicht weinte und auch nicht schlief. Ich warf einen Blick auf den leeren Wok, der auf dem Herd stand, warf einen Blick auf Kumiko und trank mein Bier aus. Verrückt. Wen scheren Klopapier und grüne Paprikas?
    Aber ich ging hinüber und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Okay«, sagte ich. »Jetzt verstehe ich. Ich werde nie wieder blaue Papiertücher oder geblümtes Klopapier kaufen. Versprochen. Ich werde das Zeug morgen zum Supermarkt zurückbringen und es umtauschen. Wenn sie es mir nicht umtauschen wollen, werde ich es im Garten verbrennen. Ich werde die Asche ins Meer streuen. Und nie wieder Rindfleisch mit grünen Paprikas. Nie wieder. Der Geruch ist bald verflogen, und wir brauchen nie wieder daran zu denken. Okay?«
    Aber sie sagte noch immer nichts. Ich wäre am liebsten ein Stündchen spazierengegangen und hätte sie bei meiner Rückkehr vergnügt und munter vorgefunden, aber ich wußte, daß ich mir da keine Hoffnungen zu machen brauchte. Diese Sache würde ich selbst in Ordnung bringen müssen.
    »Schau, du bist müde«, sagte ich. »Ruh dich ein bißchen aus, und dann gehen wir eine Pizza essen. Wann haben wir das letzte Mal Pizza gegessen? Sardellen und Zwiebeln. Wir teilen uns eine. Es treibt uns schon nicht in den Ruin, ab und zu mal essenzugehen.«
    Das zog auch nicht. Sie preßte ihr Gesicht weiter gegen ihre Arme. Ich wußte nicht, was ich sonst noch hätte sagen sollen. Ich setzte mich hin und starrte sie über den Tisch hinweg an. Aus ihrem kurzen schwarzen Haar schaute ein Ohr hervor. Daran hing ein Ohrring, den ich noch nie gesehen hatte,

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