Mister Aufziehvogel
erklären, als mein Verbindungsmann zu agieren, bin ich in der Lage, Ihnen und Ihren Kameraden Vergünstigungen zu verschaffen. Es ist kein schlechtes Geschäft, das ich Ihnen anbiete. «
» Ich bin noch nie ein Spitzel gewesen « , erklärte ich, » und ich habe nicht die Absicht, jetzt einer zu werden. «
» Ich verlange von Ihnen nicht, daß Sie zum Spitzel werden « , sagte Boris, wie um mich zu beruhigen. » Ich sage lediglich, daß ich Ihren Leuten das Leben erleichtern kann. Ich biete euch an, unsere Beziehungen zu verbessern, und ich möchte Sie als Mittelsmann haben. Gemeinsam können wir diesen beschissenen georgischen Politbüro-Hurensohn von seinem Sessel kippen. Ich kann es, glauben Sie mir. Ich bin sicher, Sie und Ihre Leute wünschen ihm die Pest an den Hals. Sobald wir ihn aus dem Weg geräumt haben, könnt ihr Japaner eine teilautonome Selbstverwaltung haben, ihr könnt Komitees bilden, ihr könnt in Eigenverantwortung arbeiten. Dann können euch die Wachen zumindest nicht weiter nach Belieben mißhandeln. Das ist es doch, was ihr alle wollt, oder etwa nicht? « Boris hatte recht. Seit langem richteten wir entsprechende Gesuche an die Lagerkommandantur, hatten bislang jedoch keinerlei Erfolg damit gehabt. » Und was verlangen Sie als Gegenleistung? « fragte ich.
» So gut wie nichts « , sagte er mit einem strahlenden Lächeln und breitete seine Arme aus. » Ich will nichts anderes als gute, enge Beziehungen zu euch japanischen Kriegsgefangenen. Ich will ein paar von meinen Parteigenossen, meinen towarischtschi, mit denen es mir offenbar nicht gelingt, zu einer Einigung zu kommen, eliminieren, und zu dem Zweck brauche ich die Kooperation Ihrer Landsleute. Wir haben viele gemeinsame Interessen, warum sollten wir also nicht zu beiderseitigem Nutzen zusammenarbeiten? Wie sagen doch die Amerikaner so schön? Give and take? Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, werde ich nichts zu Ihrem Nachteil unternehmen. Ich habe keinerlei Trümpfe im Ärmel. Daß Sie mich in Ihr Herz schließen, kann ich natürlich nicht von Ihnen erwarten, das weiß ich wohl. Keine Frage, wir haben ein paar unangenehme gemeinsame Erinnerungen, Sie und ich. Aber allem gegenteiligen Anschein zum Trotz bin ich ein Ehrenmann. Warum lassen Sie also die Vergangenheit nicht einfach ruhen? Lassen Sie sich ein paar Tage Zeit, denken Sie über mein Angebot nach, und geben Sie mir dann eine klare Antwort. Ich glaube, die Sache ist einen Versuch wert. Ihre Männer haben doch gar nichts zu verlieren, meinen Sie nicht auch? Sehen Sie jetzt zu, daß Sie nur mit Leuten über die Angelegenheit reden, denen Sie unbedingt vertrauen können. Ein paar Ihrer Männer arbeiten als Informanten für das Politbüromitglied. Wenn sie davon erführen, könnte die ganze Sache platzen. Meine Macht hier ist noch immer etwas begrenzt. «
Ich kehrte in den japanischen Lagerbereich zurück und nahm einen Häftling beiseite, um ihm Boris’ Angebot zu unterbreiten. Der Mann war ein ehemaliger Oberstleutnant, ein harter Bursche mit scharfem Verstand. Zuletzt Kommandant einer Einheit, die sich in einer Festung im Chingan verschanzt und sich selbst nach der japanischen Kapitulation noch geweigert hatte, die weiße Fahne zu hissen, war er jetzt der inoffizielle Anführer der japanischen Lagerinsassen - ein Machtfaktor, den die Russen nicht außer acht lassen durften. Ohne etwas von der Episode um Yamamoto, am Ufer des Chalcha, zu erwähnen, erzählte ich ihm, Boris sei ein hochrangiger Offizier der Geheimpolizei gewesen, und referierte ihm dessen Angebot. Der Oberst schien an der Idee, den gegenwärtigen Lagerkommandanten auszuschalten und den japanischen Kriegsgefangenen eine gewisse Autonomie zu verschaffen, durchaus interessiert zu sein. Ich betonte, daß Boris ein kaltblütiger und gefährlicher Mann sei, ein Meister der Täuschung und Hinterlist, den man nicht beim Wort nehmen dürfe. » Sie mögen recht haben « , sagte der Oberst, » aber das gleiche gilt für unseren Freund vom Politbüro: Wir haben also nichts zu verlieren. « Er hatte recht. Wenn das Geschäft tatsächlich zustande kam, dachte ich, konnte die Situation für uns unmöglich noch schlimmer werden, als sie schon war. Aber da täuschte ich mich so gründlich, wie man sich überhaupt nur täuschen kann. Die Hölle kennt keinen tiefsten Punkt.
Ein paar Tage später gelang es mir, an einem ruhigen Ort eine persönliche Begegnung zwischen dem Oberst und Boris zu arrangieren. Ich fungierte als
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