Mister Mädchen für alles
gedacht, dass das ‹Treibholz› Familien hat, seine Rechnungen zahlen muss und mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen hat? Man kann Menschen nicht einfach ‹loswerden›. Das ist unmenschlich. Und hartherzig.» Sie wandte sich an ihren Mann. «Max, sag mir bitte, dass du so etwas nicht tun würdest. Ich meine, Menschen einfach so aufs Abstellgleis zu schieben, als wären sie Müll?»
Max wollte gerade antworten, als Todd ihm zuvorkam. Mit einem amüsierten Blick auf dem perfekt gemeißelten Gesicht lehnte er sich im Stuhl zurück. «Lassen Sie mich raten, Sally, Sie sind sicher nicht berufstätig. Und wenn doch, dann arbeiten Sie bestimmt im Sozialbereich – vielleicht ehrenamtlich mit Kindern oder Senioren. Stimmt’s?»
Saff nickte und sah so wütend aus, dass Ella glaubte, sie würde jeden Moment explodieren oder, schlimmer, in Tränen ausbrechen. Ella blieb unsicher an der Küchentür stehen.
«Das dachte ich mir.» Todd nickte selbstzufrieden. «Wissen Sie, ich täusche mich nie in diesen Dingen. Es ist ja gut und schön, wenn Ihre liberale Weltanschauung so makellos ist. Und ich respektiere das voll und ganz. Wirklich. Aber Ihre Ansichten haben keinen Platz auf einem hart umkämpften Markt wie dem unsrigen. Gebt mir eure Unterstützung, Alex, Gavin, Max, habe ich recht, oder habe ich recht? Das System ist alles, was zählt, Sarah. Nicht dasIndividuum. Und wenn manche Leute nicht in das System passen – dann fliegen sie raus. So einfach ist das.»
«Todd, ihr Name ist Saffron», zischte Alex ihn an. «Und sie ist sehr wohl berufstätig – denn sie ist mit Abstand die beste Mutter auf der Welt.»
Trotzdem blickte Saff noch niedergeschlagener drein als zuvor. Ella bewegte sich mit den Schüsseln, die sie noch immer in Händen hielt, auf die Gäste zu. Vorsichtig servierte sie das Hähnchen und knallte die Salatschüssel neben Todd auf den Tisch. Dann neigte sie sich zu Saff hinunter und flüsterte ihr ins Ohr: «Er ist ein Arschloch. Ignorieren Sie ihn einfach. Ich werde ihm in sein Tiramisu spucken. Wenn Sie es unter einem Vorwand zu mir in die Küche schaffen, dürfen Sie auch mal.» Als Saff daraufhin wieder husten musste, zog sich Ella einfach nur ganz leise in die Küche zurück.
Kapitel 20
Von ihrer Position vor dem Café aus konnte Alex die vorbeigehenden Leute beobachten und trotzdem noch den Eingang der Agentur im Auge behalten. Sie war noch nie in Mailand gewesen, obwohl sie, seit sie diesen Job angenommen hatte, zunehmend zu einem wandelnden Lexikon wurde, was Europa anging, und das bereitete ihr große Freude. Nun, der Himmel wusste, dass sie genügend Gelegenheiten gehabt hatte, den Kontinent zu entdecken. Sie wollte unbedingt Bettina Gordino, das Supermodel, an Bord holen, um sich Donatellas Mitarbeit zu sichern. Und so hatte sie Stunden um Stunden am Telefon damit zugebracht, Bettinas praktisch unauffindbaren Mailänder Agenten, Matteo Corniani, an die Strippe zu bekommen. Er hatte schließlich mit einem Hauch von Optimismus durchblicken lassen, dass sich seine wunderbare Klientin eventuell dazu herablassen könnte, auf der Produkteinführung zu modeln, woraufhin Alex ihn noch heftiger belagert hatte. Deshalb hatte sie an diesem Vormittag bereits drei Stunden damit verbracht, in besagter italienischer Stadt herumzulaufen und die Zeit totzuschlagen, bis der Agent sich schließlich dazu durchringen konnte, ihr ein Treffen mit ihm zu gewähren, «um die Möglichkeiten zu diskutieren».
Sie nippte an dem brühheißen Kaffee und wünschte, sie hätte etwas sommerlichere Garderobe eingepackt. Doch in London war es für Juni ungewöhnlich kühl gewesen, und sie hatte sich derartig beeilen müssen, dass sie einfacheingesteckt hatte, was ihr zuerst in die Hände gefallen war. Dazu gehörte auch jener dunkelblaue Rock, mit dem sie modisch gesehen immer richtig lag und den sie bei allen wichtigen Terminen trug, was im Büro mittlerweile zu einer Art Dauerwitz geworden war. Doch jetzt fühlte sie sich in ihrem Outfit verschwitzt und viel zu dick angezogen. Sie seufzte und dachte darüber nach, wie gern sie auf diese ungeplante Reise verzichtet hätte. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war, wenige Wochen vor der Produkteinführung nicht im Büro zu sein. Aber als Corniani ein Lebenszeichen von sich gab, hatte sie Camilla angebellt, ihr sofort ein Ticket für den nächsten Flug zu buchen und sie gebeten, die Reise so kurz wie möglich zu planen – maximal zwölf Stunden –, sodass
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