Mister Medusa
ihrem Stuhl saß. Sie blickte zwar auf den Spiegel, aber sie schaute zugleich ins Leere, als suchte sie nach Bildern, die in ihrem Innern erschienen waren.
Ich war froh, als ich aufstehen konnte, nachdem mir das Tuch abgenommen worden war. Dabei schaute ich meinen Haaren nach, die auf dem glatten Boden landeten, wurde noch abgebürstet und ging zur Kasse, um die Rechnung zu begleichen.
Mario kassierte und nickte mir zu. »Alles Gute wünsche ich Innen, Mr. Sinclair.«
»Danke, Ihnen auch. Dann bis zum nächsten Mal.«
»Hoffentlich nicht zu lange.«
»Das liegt nicht in meiner Hand.« Ich winkte ihm noch einmal zu und drehte mich um.
Dawn Ascot wartete bereits an der Tür. »So«, sagte ich, »dann können wir gehen.«
»Ich bin froh, Sir.«
»Warten wir es ab. Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wohin wir gehen sollen?«
»Ja, in dieses kleine Café.«
»Einverstanden.«
***
Dawn Ascot hatte für sich Kaffee, aber auch einen doppelten Whisky bestellt, und davon trank sie erst mal, bevor sie die Tasse anhob. Das Café war recht klein. Es gab nur wenige Tische, und wir hatten uns einen ausgesucht, der zwischen Theke und einer alten Musikbox lag, die nur als Dekoration an der Wand stand.
Sie hatte noch nichts über ihre Motive preisgegeben, sondern mich nur angeschaut. Schließlich begann sie, und ihre Stimme klang dabei sehr leise. »Ich hoffe sehr, dass ich in Ihnen den richtigen Mann gefunden habe, Mr. Sinclair, denn ich weiß mir sonst wirklich keinen Rat mehr. Und ich mache mir verdammt große Sorgen um Ellen.«
»Wer ist das?«
»Meine Tochter.«
»Was ist mit ihr?«
Die Frage hatte ich recht locker gestellt, aber die Antwort gab mir schon einen kleinen Schock.
»Ellen ist tot!«
Ich sah sie überrascht an.
»Ja, sie ist tot«, wiederholte Dawn Ascot. »Und sie ist keines natürlichen Todes gestorben.«
Ich hatte mir auch Kaffee bestellt und trank einige Schlucke. »Dann wurde sie ermordet.«
Dawn Ascot zuckte die Achseln. »Das kann ich nicht so genau sagen, Mr. Sinclair.«
Das verwunderte mich schon, und ich fragte: »Weshalb sind Sie dann zu mir gekommen, einem Polizisten?«
»Darüber werde ich noch mit Ihnen reden.«
»Gut. Deshalb sind wir ja hier. Ich halte mal fest, dass Ihre Tochter tot ist, wobei Sie nicht genau wissen, ob sie nun ermordet wurde oder nicht.«
»Genau.«
»Wo passierte es?«
»In Schweden. Oder besser gesagt in der näheren Umgebung von Stockholm. Dort lebte sie.«
»Warum das?«
Mrs. Ascot lachte leise vor sich hin. »Fragen Sie mich nicht, Mr. Sinclair. Ich habe es ja auch nicht begriffen, aber Ellen zog es in dieses Land. Sie liebte Schweden, sie wollte nicht woanders leben, also ist sie hingezogen.«
»Was war sie von Beruf?«
»Sie hat studiert. Sie war noch nicht fertig. Trotzdem ist sie rübergegangen.«
»Aber sie verdiente Geld?«
»Das schon. Es reichte auch aus. Ich brauchte sie nicht zu unterstützen. Das ist alles okay gewesen. Angeblich arbeitete sie in einem Büro als Übersetzerin.«
»Angeblich?«
Dawn Ascot hatte das letzte Wort mit einer seltsamen Betonung ausgesprochen. Ich ließ sie in Ruhe, weil ich bemerkte, dass sie sich noch sammeln musste. »Es hat etwas gedauert«, erklärte sie mit stockender Stimme, »bevor ich dahinter kam, womit sie tatsächlich ihr Geld verdient hat. Sie war eine Hure, ein Callgirl, ein Model, eine Nutte, was immer man dazu sagen will.«
»Ach, so ist das.«
»So ist es. Die Polizei hat mich darüber aufgeklärt, nachdem man herausgefunden hat, wer sie gewesen ist. Man fand ihre Leiche im Wasser. Sie lag an einem Bootssteg.«
»In Stockholm?«
»Nein, außerhalb.«
Ich wartete, bis Dawn Ascot wieder einen Schluck Whisky getrunken hatte, und sprach dann weiter. Hinter meinem Rücken huschte eine Kellnerin her, die sich leicht anstieß.
»Bisher habe ich alles begriffen, Mrs. Ascot. Mir ist nur eines nicht klar. Ich weiß nicht, weshalb Sie mit Ihren durchaus berechtigten Problemen und Nöten zu mir gekommen sind. Da sehe ich keinen Grund. Sie haben mich ja speziell ausgesucht. Das jedenfalls habe ich aus Ihrem Auftritt im Salon geschlossen.«
»Stimmt, Mr. Sinclair, und dafür habe ich auch meine Gründe gehabt.«
»Aber um den Tod Ihrer Tochter muss sich die schwedische Polizei kümmern.«
»Muss sie auch. Hat sie auch. Aber«, ich wurde jetzt starr angeblickt, »sie ist nicht weiter gekommen. Die Stockholmer Polizisten treten auf der Stelle.«
»Das nehme ich mal so hin. Und Sie
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