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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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hinausgingen, sah er einen Schatten zur Küchentür huschen, und dann, kurz bevor er wieder im Keller verschwand, hörte er einen Schlüssel, der Zahn um Zahn ins Schloss glitt.
     
    »Ist das Ihre Theorie?«, fragte Möbius.
    Sheppard sah ihn gleichgültig an.
    »Mehr haben Sie nicht hinzuzufügen?«
    Sheppard rutschte auf seinem Stuhl herum, dann räusperte er sich.
    »Sie haben es längst versaut, wissen Sie das?« Als Sheppard weiter schwieg, sagte Möbius: » Ich weiß es.«
     
    Im Schlafzimmer beugte Eberling sich über die beiden – Dr. Sam und Marilyn – und keuchte angesichts des Horrorbildes, das sich ihm bot. Sein Herz flatterte wie eine Flagge im Sturm. Sonst war es ruhig, so viel ruhiger als vorher. Die Schnittwunde an seinem Handgelenk blutete heftig, er stand auf der Schwelle, den nassen Griff der Taschenlampe in der Hand, und wagte nicht, sie einzuschalten. Marilyn lag zu seiner Linken in einem schwarzen Fleck auf dem Bett, in die Mitte der Matratze gezerrt. Ihre Pyjamajacke war am Hals zusammengebauscht, ihre Beine hingen unter dem Querbalken. Ihr Gesicht war eingeschlagen, jetzt konnte er es sehen, es sah beinahe wie zerschmolzen aus, ausdruckslos und schwarz glänzend, während das schwarze Blut ihr Gesicht einrahmte wie eine königliche Halskrause. Trotzdem verspürte Eberling den Impuls, sie zu berühren. Er konnte nicht anders. Ihr Torso wirkte vollkommen eigenständig, zwischen Hals und Scham unbefleckt, Brüste und Bauch so weiß wie Alabaster. Nur dieser Teil war noch sie, und er wollte ihn lieben, worüber ihm bewusst wurde, dass sie nun ferner war denn je. Ihm stiegen die Tränen in die Augen. Sheppard lag am Boden, den Kopf zu Marilyns Füßen. Mit seinem weißen T-Shirt sah er unversehrt und unverletzt aus.
    Es war so still, als wäre Eberling gar nicht da, es war wie in einem Traum, und er war unfähig, sich zu rühren oder sich abzuwenden, nur sein Blick wanderte umher. An den weißen Wänden und unter der Decke klebten so viele Blutspritzer, dass der Raum aussah wie das Fotonegativ eines Sternenhimmels. Er musste weg von hier. Gleichzeitig hatte er das Gefühl, auf hauchdünnem Glas zu stehen oder auf einer Eisschicht, die kurz vorm Schmelzen war. Eine falsche Bewegung, und alles wäre für immer dahin.
    Er wollte sich Schritt für Schritt rückwärts aus dem Raum schieben, spürte dann aber, wie ihm sein Gleichgewicht abhandenkam und er beinahe hinfiel. Der Raum wirkte plötzlich wie gemalt, allein seine Anwesenheit hier würde Schlieren nach sich ziehen. Sein Weinen steigerte sich zu einem Schluchzen. Mit ausgestreckten Armen wagte er einen vorsichtigen Schritt zurück. Und da fing Sheppard zu seinen Füßen zu stöhnen an.
    Er sprang die Treppe hinunter, rutschte in der ersten Kurve aus und schlitterte auf dem Hosenboden und auf einer Hand – in der anderen hielt er immer noch die Taschenlampe – auf den Treppenabsatz hinunter, sprang ins Wohnzimmer und knickte so unglücklich mit dem Fuß um, dass es klang wie ein Bündel zerbrechender Stöcke. Für eine Sekunde lag er in Fötusposition auf dem Boden, die Hände ums Sprunggelenk geklammert, er versuchte aufzustehen, fiel auf die Knie, stand abermals auf. Die ersten Meter hüpfte er auf einem Bein und stöhnte, sobald der verletzte Fuß den Boden berührte; so schaffte er es bis auf die Veranda, überzeugt, Dr. Sam hinter sich zu hören. Als er den Rasen erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um und sah Sheppard oder eine andere Gestalt mit weißem T-Shirt im Haus stehen.
    Er sprang die Treppe zum Steg hinunter, den keuchenden Doktor immer im Nacken, schwang sich auf Höhe des Bootshauses am Geländer um die Kurve und polterte über die letzten Stufen auf den Sand. Sein Rücken knackte, als Sheppard zuschlug, das Knirschen schoss ihm bis ins Genick hoch, und dann war der Doktor über ihm, holte wie ein Betrunkener zum Schlag aus, aber seine Arme waren so ungelenk und weich wie im Schlaf, sein Griff kraftlos. Eberling trat ihm in die Körpermitte, bäumte sich auf, packte den T-Shirt-Saum so fest, dass er riss, und schleuderte Sheppard über sich hinweg, sodass er hinter ihm im Wasser landete.
    Auf Knien standen sie einander gegenüber, Sheppards Hände unter seinen Achseln. Er sah orientierungslos aus, wie unter Drogen.
    Eberling ließ die Taschenlampe gegen sein Kinn krachen, ein wuchtiger Schlag, der den Doktor mit dem Gesicht nach unten ins Wasser kippen ließ. Eberling stieg auf seinen Rücken, schlang einen Arm um

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