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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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betrachten und keine Worte finden. Sie würde sich ängstigen. Vor ihm. Der Mensch, den man im Kopf hat, dachte Eberling, ist nicht der Mensch aus der echten Welt. Er musste es endlich begreifen. Schon viel zu oft war ihm der Fehler unterlaufen, mit den Jungen im Waisenheim zum Beispiel, die ihn verpfiffen, weil er in der Toilettenkabine ihren Penis berührt hatte. Und mit den Mädchen, die, als er sie zu küssen versuchte, schreiend zu den Pflegerinnen rannten. Wozu sollte Marilyn überhaupt irgendetwas mit ihm zu tun haben wollen? Wollte sie sich in Bezug auf Männer verschlechtern? Einmal mit dem Typen von Dick’s Reinigungsservice schlafen? Sie hatte alles zu verlieren, ihren Jungen, das viele Geld, das hübsche Haus mit Seeblick, und diese drei Argumente allein reichten aus, ihre vermeintliche Unzufriedenheit, die sie ihm gegenüber angedeutet hatte, zu übertrumpfen. Er war ein Dummkopf. Er würde am Mittwoch nicht einmal seine Badehose mitbringen, er würde einfach hinfahren und seine Arbeit erledigen. Vielleicht nicht einmal das. Hinterher könnte er sagen, er habe den Termin komplett vergessen. Vielleicht sogar seine Dienste aufkündigen.
    Er wurde wütend darüber, dass sie ihm überhaupt einen derartigen Vorschlag gemacht hatte.
    Er ließ den Lieferwagen an.
    Ist mir doch egal, ob ich dich jemals wiedersehe, dachte er.
    Er kam ein wenig zu spät zu den Houks, nicht, dass Ethel sich etwas daraus machte. Ja, Mrs. Houk, das war eine echte Lady. Sie war jemand, der nichts Schlechtes verdient hatte. Dasselbe galt für Mr. Houk, der nicht nur der Bürgermeister, sondern auch der beste Fleischer der Stadt war, und falls er im Haus war, wenn Eberling zusammenpackte, gab er ihm manchmal sogar ein Rumpsteak mit, gratis und schwer, eingewickelt in kaltes, klammes Papier. »Reiben Sie es mit Olivenöl ein«, sagte Houk, »geben Sie ordentlich Salz und Pfeffer drauf, und dann vier Minuten – nicht mehr, nicht weniger – auf höchster Flamme, von beiden Seiten. Aber das Geheimnis, das Allerwichtigste an der Sache ist, es ruhen zu lassen. Verstanden? Lassen Sie das Fleisch für die Hälfte der Garzeit liegen, damit der Saft sich verteilen kann.« Houk schüttelte beim Sprechen den Zeigefinger und gab Eberling zum Schluss einen Klaps auf die Wange, so wie ein Vater es vielleicht getan hätte.
    Heute hatte er bei Mrs. Houk nur die Fenster zu putzen, auch wenn das immer noch jede Menge Arbeit war. Danach musste er schnell zu den Humphries, dann würde er frei haben.
    Ist mir doch egal, ob ich dich jemals wiedersehe, dachte er, während er sich zum Fenster im ersten Stock hinauslehnte. Und da hörte er plötzlich seinen Namen. Er dachte, es sei Mrs. Houk, und er schwang sich zurück aufs Fensterbrett, wartete, bis seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, und sah Marilyn aus der Dunkelheit heraustreten.
    »Hallo, Mrs. Sheppard.«
    Sie wirkte ein wenig außer Atem, vielleicht lag es an der Treppe, aber sie lächelte ihn strahlend an, genau wie vor ein paar Tagen, und der Anblick war so überwältigend, dass er sich in seinem Verdacht bestätigt fühlte, dass wir uns fürchten vor dem, was wir uns am meisten wünschen. Er wagte nicht, sie anzusehen, aus Angst, er könnte zu lachen anfangen oder sich ducken, sich irgendwie verraten, und so starrte er zu Boden. Sie sprach sehr leise. Eberling wusste, wie weit der Schall in den jeweiligen Häusern trug. Mrs. Houk konnte sie nicht hören, aber Marilyn wollte anscheinend kein Risiko eingehen.
    »Ich habe noch einmal über nächste Woche nachgedacht«, sagte sie leise, »und ich frage mich, ob Sie eventuell schon am Montag kommen können?«
    Er konnte sie nervös schlucken hören. Dass sie hier vor ihm stand, war unmöglich, er musste träumen, und auf einmal war er so durcheinander, dass er keinen Ton herausbrachte.
    »Kommen Sie doch am Nachmittag«, sagte sie. »Chip könnte für eine Weile bei den Nachbarn spielen. Dann sind wir ungestört.«
    Eberling, den Blick immer noch zu Boden gerichtet, fing zu lächeln an.
    »Und Sie können Ihre Badehose mitbringen, das sagte ich ja schon.« Sie kam näher. »Wir könnten uns ein wenig amüsieren.«
    Er saß reglos da, bewegte keinen einzigen Muskel.
    »Möchten Sie?«, fragte sie.
    »Ja«, antwortete er, »aber …«
    »Aber was?«
    Aber meinte den Umstand, dass er es sich so nicht vorgestellt hatte. Es war alles so viel merkwürdiger, so viel wundervoller, dass er aussprach, was er den ganzen Tag gedacht hatte. »Ich

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