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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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eingeschlafen.
    Sheppard warf einen Blick auf die Uhr, bevor er sich mit beiden Händen die Schläfen massierte. »Na prima«, sagte er, »nun wird er heute Abend erst recht nicht früh einschlafen.«
    »Ich sollte ihn wecken«, sagte Marilyn, obwohl sie Angst davor hatte, den Vorgang einzuleiten. Sie schaute ihren Mann an und er sie, und ihr Blicketausch grenzte an Telepathie.
    »Oder lieber nicht«, sagte sie, und dann gingen sie schnell nach oben.
    Solche Nachmittage, dachte er später, als sie in seinem Bett lagen, Chip immer noch tief und fest schlief und Marilyns Bett nebenan weiß und unberührt war, solche Nachmittage, wenn eine Brise vom Wasser heraufzog und auf der Zunge den Geschmack des Sees hinterließ, wenn nichts zu hören war als das Schlagen der Äste gegen die Fliegengitter, wenn der Körper aus dem Schlaf aufstieg, perfekt temperiert, gewärmt oder abgekühlt, solche Nachmittage ließen ihn an Gott glauben. Nicht an den Gott, dessen Sohn Geschichte geschrieben hatte, nicht an den Gott, der Anweisungen und Verhaltensregeln ausgab und gutes Benehmen mit einem ewigen Leben nach dem Tod belohnte und umgekehrt schlechtes Benehmen bestrafte, nicht an den Gott, an den ein Arzt, der so viel sinnloses Leid gesehen hatte wie Sheppard, ohnehin nicht glauben konnte, sondern an einen Gott des Augenblicks, einen viel großzügigeren Gott, der für all jene, die trotz der Widrigkeiten für die Liebe kämpften und ihr Kommen und Gehen ertrugen, diese perfekte Stille bereithielt, diese Ruhe, diese Glückseligkeit. Er zog Marilyn an sich. Er berührte ihr Haar. Er küsste sie auf den Scheitel. Nie zuvor in ihrem gemeinsamen Leben, nicht einmal als Teenager, hatten sie solchen Sex gehabt wie während der vergangenen Wochen. Sheppard setzte sich auf, ganz sanft, um sie nicht zu wecken, und starrte durchs Fenster auf den See hinaus, wo ein Segelboot wie ein Spielzeug auf den stahlgrau und weiß gescheckten Wellen tanzte. Da begriff er, wann es angefangen hatte. Nicht nur der Sex, sondern der zweite Frühling, den er und Marilyn gerade erlebten, diese neue Ära, diese Verwandlung . Es hatte in Big Sur angefangen, nach der scheinbar endlos langen, dreistündigen Autofahrt, während der Chappie ihm erzählt hatte, seine Ehe mit Jo sei am Ende, weil Jo hinter seine Affären gekommen sei und erfahren habe, dass er eine Geliebte in Santa Monica aushielt. Sheppard musste die ganze Zeit an Susan Hayes denken, dass der Sex mit ihr ihm für so lange Zeit wie das Wichtigste überhaupt erschienen war und nun plötzlich an Bedeutung verlor, Susan Hayes, die angesichts des sterbenden Hundes hysterisch geworden war und sich neben der Straße übergeben hatte. Irgendwie hatte sie etwas so Schwaches, dachte er, und gleichzeitig etwas so Explosives, das wiederum ihn schwach werden ließ. Aus irgendeinem Grund wusste Susan nicht, was Marilyn wusste und vielleicht immer schon gewusst hatte, über sich selbst, über die Welt. Susan war zu wenig Marilyn. Was für eine seltsame Wendung. So viele Jahre lang hatte er Marilyn als fehlerhaft betrachtet, hatte sie mit anderen Frauen verglichen und stets für ungenügend befunden, aber nachdem er Susan zur nächsten Tankstelle gebracht hatte, damit sie sich säubern konnte, verglich er sie – und alle anderen Frauen, mit denen er etwas gehabt hatte – mit Marilyn, und sie alle verloren. An der Tankstelle stieg Susan aus dem Auto und nahm ihre Handtasche mit, und plötzlich störte Sheppard auch das. Wozu brauchte sie jetzt ihre Handtasche? Er schaute ihr nach, als sie zu den Toiletten ging, und hörte, wie geschmeidig ihre Schritte auf dem Kies knirschten, wie die Absätze einer Frau, die gerade auf einer Party erscheint und ihren großen Auftritt hat, und im selben Moment begriff er, dass sie ihr Make-up brauchte. Selbst jetzt, da die Kotze ihren Mund und ihr Kinn und ihren Jackenärmel verschmierte, glaubte sie, sie müsste hübsch aussehen und sich zusammenreißen – wohingegen Marilyn sich nicht darum geschert hätte. Nach ein paar Minuten kam sie aus der Toilette und setzte sich wieder ins Auto. Sie sprachen kein Wort. Der Streit hatte etwas zwischen ihnen unwiderruflich zerstört, zerstört oder bloßgelegt, etwas, das ihnen in Erinnerung rief, dass die gemeinsame Zeit nichts weiter als eine Liebelei, ein kurzer Urlaub war, der sich dem Ende neigte und keine Zukunft hatte. Sie waren dem Ende so nah, dass an Rücksichtnahme nicht mehr zu denken war.
    Amüsier dich nicht zu gut.
    Er wollte

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