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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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nach Hause, zu seiner Frau.
    »Meine Handtasche«, sagte Susan, als sie das Hotel erreicht hatten. Während der letzten Stunde hatten sie kein Wort gewechselt.
    »Was ist damit?«
    »Ich habe meine Handtasche unterwegs auf der Toilette vergessen.«
    Unterwegs war genauso weit entfernt wie der Mars.
    »Meine Uhr«, sagte sie, »da war meine Armbanduhr drin. Meine Mutter hat mir die Uhr geschenkt, und jetzt ist sie weg.«
    Er wartete.
    »Wenn du den blöden Hund nicht überfahren hättest, wäre all das nicht passiert.«
    Sheppard wusste sich nicht zu helfen, er starrte sie lange Zeit an und musste dann lachen. Er zog seine grässlich verschmierten Kleider aus, duschte und richtete sich auf dem Sofa einen Schlafplatz ein.
    Am nächsten Morgen, bevor er sie zu Hause absetzte, lud er Susan zum Frühstück ein. Sie hatte ihn darum gebeten, außerdem war er selbst hungrig und würde vor der Fahrt nach Big Sur sonst keine Gelegenheit mehr haben, einen Happen zu essen. Sie frühstückten schweigend. Was gab es noch zu sagen? Zufälligerweise lag gegenüber ein Juwelierladen, und nachdem er die Rechnung bezahlt hatte, ging er mit ihr hinüber und sagte ihr, sie solle sich irgendeine Uhr aussuchen. Ohne zu zögern, wählte sie eine Lady Elgin, tippte mit dem Fingernagel auf das Glas, eine freudlose Übung, ein Quidproquo, ihr letztes, kleines Leck mich , und er schwor sich, das Geschenk von der Steuer abzusetzen und dann zu vergessen. Vor ihrem Apartment versprach sie, ihm zu schreiben, wobei Sheppard nur allzu genau wusste, dass sie einen Teufel tun würde, und falls sie es doch tat, wäre es nur, um zu bestätigen, was sie beide längst wussten: dass sie einander niemals wiedersehen würden.
    »Das war’s dann wohl«, sagte sie.
    Sie sah furchtbar aus. Obwohl sie am Morgen geduscht hatte, klebte das Make-up wie eine Kruste auf ihrem Gesicht. Er sah sie als alte Frau und war angewidert. Was für ein Fehler mir da beinahe unterlaufen wäre, dachte er. »Ich muss los«, sagte er.
    Während der Fahrt mit Chappie, während er sich anhören musste, wie Chappie sein Leben in die Luft gejagt hatte und nun mit dem Gedanken spielte, nach Cleveland umzusiedeln und am Bay View (mein Zuhause, dachte Sheppard) zu arbeiten, unterzog Sheppard die letzten Stunden mit Susan Hayes einer kritischen Prüfung. Er erkannte, dass Marilyn die einzige Frau war, die er jemals wirklich geliebt hatte. Ja doch, zeitweise waren ihm die anderen furchtbar wichtig erschienen, aber diese Wichtigkeit war untrennbar mit der Liebe zu seiner Frau verbunden. Auf einmal schien alles so offensichtlich. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Chappie noch schneller fahren würde, damit er noch zeitiger die Gelegenheit bekam, Marilyn alles zu sagen und sie nicht etwa zwischen diesem Moment und ihrer Ankunft zu verlieren. Und als sie Chappies Ferienhaus endlich erreichten, trat Sheppard ins Wohnzimmer, wo die Frauen am Kaminfeuer saßen und die Stimmung schon in dem Augenblick kippte, als Chappie und Jo einander erblickten, wo allein die Sitzordnung der Frauen – Knie an Knie und Kopf an Kopf, Marilyns rechte Hand fast auf Jos linker – verriet, dass Notfallpläne geschmiedet und Ausstiegsstrategien erörtert worden waren – für Jo, aber möglicherweise auch für Marilyn. Frauen kommen zusammen, um Pläne zu schmieden, dachte Sheppard. Und Mann und Frau kommen zusammen, um Pläne über den Haufen zu werfen. Nein, dachte Sheppard, nicht mit mir. Er würde es nicht so weit kommen lassen. Er hatte es begriffen. Er ging direkt auf seine Frau zu. »Ich muss dir etwas sagen«, verkündete er, so als wäre Jo gar nicht da. Er nahm Marilyn bei der Hand.
    »Kann das nicht warten?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete er.
    Er ergriff auch ihre zweite Hand, zog sie vom Sofa hoch und aus dem Zimmer und versuchte, sie zu umarmen (auch wenn sie ihm nur einen Ellenbogen anbot), während Jo und Chappie zurückblieben, um eigene Entscheidungen zu treffen. Er führte Marilyn zu den Stallungen, erst hier ließ er sie schließlich los, und weiter bis an den Zaun, der das Grundstück der Chapmans umgrenzte und von dem aus man das Meer sehen konnte. Und dann sagte er ihr, was er begriffen hatte: dass sie beide sich aus irgendeinem Grund auseinandergelebt hatten, vor so langer Zeit, dass es zum Dauerzustand geworden war, zum Grund für ihr Unglück, und dass das Bewusstsein des wachsenden Abstandes zwischen ihnen sie nicht nur davon abhielt, sich aufeinander zuzubewegen, sondern

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