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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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komm rauf.« Der Hund seufzte, blieb liegen und sah sie bekümmert an. Selbstverständlich hatte das arme Tier Angst vor lauten Geräuschen. Heulte die Mittagssirene, kroch es unter den Küchentisch. Sammelten sich Gewitterwolken über dem See, flüchtete es sich ins Badezimmer und zwängte sich in die Ecke neben der Toilette. Stritten Marilyn und Sam, duckte es sich. Für den Hund war die letzte Zeit eine einzige Abfolge unerwarteter Schrecken gewesen: das Krachen der Salutkanone an Silvester, die Fernsehberichte von bewaffneten Aufständen in Indien, immer wieder Feuerräder und bengalische Feuer über dem Wasser, heute Abend dann die Salven der Vorabendfeier zum vierten Juli und morgen schließlich das große Finale. Und dann? Marilyn stellte sich die kommende Woche vor, wenn die Nachbarskinder sämtliche Böller zünden würden, die morgen nicht abgeschossen wurden. Konnte sie den Hund an irgendeinen sicheren Ort bringen? Zum Haus ihres Vaters vielleicht? Aber der lebte eine Autostunde entfernt, und die Zeit lief ihr ohnehin schon davon.
    Eine zweite Rakete, deren Antriebsstrahl wie reißendes Papier klang, flog am Fenster vorbei und zerplatzte mit einem kleinen Knall. Kokie winselte.
    Marilyn stieg aus dem Bett und hielt den Mund dicht an das Fliegengitter. »Ihr macht mir den Hund verrückt!«, schrie sie.
    Unten am Ufer sprangen Jungs in Badehosen lachend aus dem Gebüsch, ein jeder einen Raketenköcher in der Hand. Das Baby in Marilyns Bauch trat zweimal zu – wenn es sich bloß nicht wieder um Krämpfe handelte –, und der Schmerz war so stechend, dass sie sich am Fensterbrett abstützen musste.
    Bitte, lieber Gott, lass es diesmal ein Mädchen sein, dachte Marilyn, und sei es nur, um Gesellschaft und Verstärkung für das angeschlagene Frauenteam zu bekommen: jemanden, mit dem sie sich über Sams Unfähigkeit im Haushalt wundern konnte. Sam hätte gern geholfen, war außerhalb seines Berufes aber schlicht und ergreifend überfordert. Sieh dir nur das an, dachte sie und schaute auf sein ungemachtes Bett am Fenster. Der Mann konnte die Brust eines Menschen öffnen und ein Herz zurück ins Leben massieren, aber wie er sein Bett machen sollte, das blieb ihm ein undurchschaubares Mysterium. Lass es ein Mädchen sein, für Tage wie diesen, die aus Hausarbeit bestanden, aus Kochen für die Gäste (die Aherns waren eingeladen), aus Erledigungen und noch mehr Putzen (ihr Sohn Chip würde alle Bemühungen, das Haus sauber zu halten, sofort zunichtemachen), aus Einkaufslisten, die geschrieben werden mussten, und den Einkäufen und aus allem anderen, was noch erledigt werden musste, damit Sam morgen mit seinen verdammten Assistenzärzten im Garten grillen konnte (eine Party, bei der sie an Land sitzen würde, während ihr Ehemann und die anderen den ganzen Nachmittag lang Wasserski fuhren).
    Der Schmerz verebbte, und Marilyn richtete sich auf.
    Am letzten Dienstag hatte Sam beim Abendessen ganz beiläufig gesagt: »Ich dachte mir, wir schmeißen mal wieder so eine Assistenzärzteparty.«
    Sie war gerade dabei gewesen, Chips Hotdog in mundgerechte Stücke zu zerteilen. Der Junge war sieben Jahre alt und konnte nicht einmal allein essen. »Welche Assistenzärzteparty?«
    »Am vierten Juli. So wie letztes Jahr.«
    Sie hielt Messer und Gabel über dem Teller still. »Sam, heute ist Dienstag.«
    »Entschuldigung«, sagte er, »ich habe schon alle eingeladen.«
    »Wen?«
    »Die Assistenzärzte«, sagte er, »und meine Familie. Und die Houks. Und die Aherns auch.«
    »Das sind über vierzig Leute!«
    »Dann grillen wir einfach.«
    Marilyn legte das Besteck nieder, faltete die Hände auf der Tischplatte und sah ihren Mann an, der in diesem Moment dabei war, sein Hotdog zu belegen. Er goss lange Streifen aus Senf, Ketchup, Mayonnaise und Remoulade in sein Brötchen und arbeitete dabei so sorgfältig, als würde er eine Reihe Ziegelsteine verlegen. Ein Ziegelstein, dachte Marilyn, käme ihr nun gerade recht.
    Sam hob den Kopf. »Ich spreche hier doch nicht von einem schicken Abendessen.«
    Ein Lächeln zuckte über ihr Gesicht. Bei der Grillparty handelte es sich natürlich weniger um einen Vorschlag als um die Ankündigung einer Tatsache, obwohl sie ihn vor einiger Zeit noch unter Androhung der Scheidung gebeten hatte, so etwas nie wieder zu tun. Was ganz offensichtlich nicht gefruchtet hatte und sie zu der Frage verleitete: Wenn das Verhalten ihres Mannes nicht einmal im Kleinen zu beeinflussen war, wie stand es dann um die

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