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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Princeville begann und über einen ganz bestimmten Punkt führen sollte. Alice trug ein neues Kleid – weiß mit roten Lilien – und hatte sich eine rote Lilie ins Haar gesteckt. Sie erklärte dem Piloten, was sie vorhatte, obwohl der bereits informiert war. Der Helikopterflug: eine gewaltige Kraft, ein stetiger Zug nach oben; man fühlte sich, als würde man am Schlafittchen gepackt und baumele nun Tausend Meter über dem Erdboden. Der Blick aus dem Fenster auf Kauai war alles Geld der Welt wert; man musste es selbst sehen, um es zu glauben. Sie flogen zunächst nach Südwesten, näherten sich der Küste am Na Pali und überflogen den Kalalau Beach – »Wäre schön gewesen«, sagte Alice, »dort zu übernachten« –, bevor sie scharf nach Osten abdrehten, gefährlich tief durch den Waimea Canyon flogen und schließlich am Mount Waialeale wieder aufstiegen. »Fast eintausendsechshundert Meter hoch«, rief der Pilot, »und der regenreichste Ort der Welt!« Der Gipfel war wolkenverhüllt, und wie auf Kommando fing es zu regnen an. »Wenn wir eine Weile abwarten, reißen die Wolken vielleicht auf«, sagte der Pilot. Also flogen sie ein paar Warteschleifen.
    David behielt das Bild vom Gesicht seiner Frau in Erinnerung. Im darauffolgenden Jahr erlitt sie eine weitere Fehlgeburt. Wie beim ersten Mal und trotz der gerinnungshemmenden Medikamente konnte sie das Kind nur bis zur neunzehnten Woche behalten. Sie war auf dem Weg zur Arbeit und saß im Zug, spürte die Krämpfe, stieg in Harlem aus, rief einen Krankenwagen und brachte en route einen Jungen zur Welt.
    Zwei Jahre später wog sie fünfunddreißig Kilo mehr, und ihr Blutdruck erreichte kritische Werte; obwohl sie die erlaubte Höchstdosis ihrer Medikamente einnahm, verlor sie ihr drittes Kind mitten in der Nacht. Sie hatte zwanzig Wochen geschafft. Auch diesmal war es ein Junge.
    »Ich habe genug«, sagte sie im Krankenhaus.
    Sie kündigte ihre Stelle am Trinity College mitten im laufenden Schuljahr.
    »Reiche Kinder«, sagte sie, »mit reichen Eltern. Von denen braucht mich keiner.«
    Warum sollte er etwas dagegen haben? Er war in der Lage, sie beide zu ernähren, er verdiente eine Menge Geld, mehr, als er jemals zu hoffen gewagt hatte, und würde sich um sie kümmern, bis sie wieder gesund war. Die Spieleindustrie erlebte einen nie da gewesenen Boom.
    Gegen Ende desselben Monats wurde sie wegen einer Depression stationär behandelt. Nach einer mehrwöchigen Behandlung kam sie nach Hause, nur um sich für die nächsten fünf Monate ins Bett zu legen.
    Sie fing sich wieder, aber dennoch war es, als wären sie in einen endlosen Traum abgerutscht: das Möbiusband des Jetzt.
    Drei Jahre vergingen. Oder war es eine Millisekunde?
    David fing an, heimlich einen Roman zu schreiben. Es hatte mit einem Entwurf für ein Videospiel begonnen, aber bald hatten sich die Beschreibungen zu einer Erzählung ausgewachsen, die immer weiter fortgeschrieben werden wollte. David verspürte den Wunsch, sich in einer Form auszudrücken, die über das Videospiel hinausging. Gott bewahre, dass Alice jemals las, was er da schrieb. Alles hatte mit seinen Träumen angefangen: Alice starb bei einem Flugzeugabsturz, bei einem Raubüberfall, bei einem missglückten Einbruch. Sie starb, weil sie sich dem Angreifer widersetzte. Sie wurde von Haien, Pitbulls und Bären zerfleischt. Sie kam unter unglaublich unglücklichen Umständen während eines Zoobesuchs ums Leben. Bei Auto- und Zugkollisionen. Oder auf dem Weg zur Arbeit, wenn sie lesend in der U-Bahn saß und das Blutgerinnsel, das sich still und heimlich in ihrem Bein gebildet hatte, zu ihrem Herzen oder in ihre Lunge aufstieg oder, ähnlich einem Chinakracher, in ihrem Hirn explodierte. Und dann wäre er frei. Er war gezwungen, seine Phantasien zu verschleiern und Doppelgänger zu erfinden, was ein unaufrichtiger Kunstgriff war, ihm jedoch eine gewisse Ehrlichkeit ermöglichte. Er schrieb eine verschleierte Autobiografie und bekam die Gelegenheit, sich selbst einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Nach dem ersten Kapitel hatte er die zündende Idee. Er war ein Spieleexperte. Er würde Avatare entwerfen.
    Und so wurde Alice wie durch Zauberhand fett, direkt vor seinen Augen.
    »Mr. Pepin«, sagte der Polizist, »ich habe eine traurige Nachricht für Sie. Es geht um Ihre Frau.«
    Er wachte auf.
    Gott verhüte, dass seine Frau jemals las, was er geschrieben hatte, dass sie in seinen Kopf hineinsah, und am allermeisten verhüte Gott, dass

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