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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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einem seltenen Anflug von Leichtsinn in die Seiten und fing zu lachen an.
    Als Reaktion darauf hielt sich Möbius mit der rechten Hand die Nase zu und legte sich die linke, die bandagiert war, über die Lippen. Er ließ unbekümmert seine kurzen Beine baumeln – seine Knie waren ebenfalls bandagiert –, und Hastroll beobachtete fasziniert, wie seine Bewegungen immer kraftloser wurden und sein Gesicht blau anlief.
    »Hm«, grunzte Hastroll.
    Und dann kippte Möbius ohnmächtig um.
    Am nächsten Tag bekam er Besuch von Sheppard.
    Als er in das Blickfeld des Mannes trat, fing der zu strahlen an. »Dr. Sam Sheppard, es ist mir ein Vergnügen!«
    Sheppard zündete seine Pfeife an und zog zweimal daran. »Ich praktiziere nicht mehr«, sagte er.
    »Stimmt«, sagte Möbius, »aber für mich werden Sie immer Dr. Sam bleiben!«
    Der Wachmann brachte Sheppard einen Stuhl, und er nahm auf der anderen Seite der Gitterstäbe und direkt gegenüber von dem Zwerg Platz.
    »So ist es besser«, sagte Möbius. »Lassen Sie sich ansehen. Na so was, Sie sind keinen Tag älter geworden! Fit wie ein Turnschuh. Ein gerissener Hund. Wussten Sie, dass ich von Ihrem Fall jahrelang besessen war?«
    Sheppard warf einen Blick auf seine Armbanduhr, steckte sich die Pfeife in den Mund und paffte, sodass Möbius einen Moment lang in einer dichten, weißen Qualmwolke verschwand.
    »Wissen Sie«, fuhr er fort, »Sie sind möglicherweise der einzige Mann in ganz Amerika, der des Mordes an seiner Frau schuldig und gleichzeitig unschuldig ist. Verurteilt und freigesprochen. Hat er oder hat er nicht? Er hat nicht; doch, er hat! Man weiß es immer noch nicht! Und die Faszination, die von Ihrer Geschichte ausgeht … Zuerst wurde Auf der Flucht gedreht, die Fernsehserie über Sie, und daraus wurde später dann sogar ein Kinofilm. Mehrere Bücher sind über Sie geschrieben worden. Sie haben selbst ein Buch geschrieben! Ja, natürlich habe ich Endure and Conquer gelesen. Es war furchtbar! Die Schilderung Ihres ersten Gerichtsverfahrens hat Eingang in den Wortschatz gefunden. Beim O. J.-Prozess sprachen die Leute von ›Karnevalsstimmung‹, dabei war das genau der Begriff, den Richter Tom Clark auf Ihr Verfahren gemünzt hat!«
    »Ich habe versucht, all das hinter mir zu lassen«, sagte Sheppard.
    Möbius lächelte. »Hübsche Vorstellung.«
    Sheppard paffte weiter.
    »Nun denn«, sagte Möbius.
    »Nun denn?«
    »Quid pro quo.«
    »Reden Sie weiter.«
    »Im Austausch für die volle Wahrheit über Alice Pepin bekomme ich zwei Dinge.«
    »Ich höre.«
    »Zuerst möchte ich aus Ihrem Mund hören, was am letzten Tag im Leben Ihrer Frau passiert ist.«
    Für einen Augenblick sah Sheppard Marilyns eingeschlagenes Gesicht vor sich, das sie ihm, sie lag auf dem Bett, zuwandte. An ihrer Stirn klafften mehrere sichelförmige Schnittwunden, ein Schneidezahn fehlte, das Oberteil ihres Pyjamas war über ihre Brüste geschoben und der Slip heruntergezogen, ihre Scham glänzte feucht, ihre Beine klemmten unter dem Querbalken des Betts, alle Wände waren mit Blut bespritzt, so als hätte sich ein nasser Hund mitten im Zimmer geschüttelt, wie ein Strahlenkranz umgab das Blut ihr Ehebett, es bedeckte die Wände und befleckte sogar die Zimmerdecke. Um ihren ganzen Kopf herum war das Blut verspritzt wie ein auflackierter Heiligenschein. Sheppard kniete sich auf die Matratze, um ihren Puls zu fühlen. Nichts.
    »Was ist Nummer zwei?«
    »Ich will Davids Roman lesen.«
    »Warum?«
    Möbius lachte. »Um zu sehen, wie ich geraten bin.«
    Sheppard klopfte seine Pfeife aus.
    »Also gut«, sagte er.
    Möbius klatschte die Hände zusammen und rieb sie dann. »Fangen wir an?«, fragte er.
    »Was möchten Sie zuerst hören?«
    »Natürlich den Anfang.«
    »Es gäbe da mehrere Anfänge zur Auswahl.«
    »Wir nehmen den Samstagmorgen«, sagte Möbius. »Juli 1954.«
     
     
     
    An jenem Morgen wurde Marilyn Sheppard von einer Feuerwerksrakete geweckt.
    Dem Licht im Zimmer nach zu urteilen konnte es kaum später als sieben Uhr sein, und trotzdem hatten die Nachbarskinder schon angefangen, in Vorfreude auf den Nationalfeiertag Knaller zu zünden, so wie sie das seit Wochen schon im gesamten Wohnviertel taten. Marilyn störte sich nicht daran, aber der Lärm erschreckte ihren English Setter zu Tode, der sich zitternd und sabbernd in einer Schlafzimmerecke zusammengerollt hatte. »Kokie?«, fragte Marilyn, setzte sich im Bett auf und klopfte zweimal auf die Decke. »Ist schon gut, Kokie,

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