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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Pfähle schlug. Alles in allem war das Chaos so gründlich, dass es nur absichtlich angerichtet worden sein konnte.
    »Verdammt sollst du sein, Sam«, murmelte sie.
    Sie drehte sich um und stieg die Treppe zum Haus wieder hinauf.
    Sie betrat die Küche durch die Verandatür und machte sich schon darauf gefasst, Hoversten Kaffee trinkend und Zeitung lesend vorzufinden. Aber im Haus war es still. Er musste wieder eingeschlafen sein. Leise schlich sie in Sams Arbeitszimmer, zog den Band Kardiologie heraus und griff nach den Chesterfields. Neben Sams Pfeifenständer lag eine Schachtel Streichhölzer; sie zündete sich eine Zigarette an, ging um den Schreibtisch herum und ließ sich auf den roten Ledersessel sinken. Neben der Heizung lehnten drei geladene Schrotflinten an der Wand. Sie hatte ihn zwanzigmal gebeten, die Waffen wegzuräumen. Auf dem Schreibtisch stand ein vor langer Zeit aufgenommenes Foto, auf dem sie so jung waren, dass der Unterschied zu heute unübersehbar war. Sie saßen in Sams Auto, einem Plymouth Fury. Das Verdeck war offen, sie drehten sich nach hinten zur Kamera um, Sam hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt. Das war in Kalifornien gewesen, im Jahr 1944, als Sam sein Medizinstudium begonnen hatte. Damals war er dünner gewesen und netter, sein Haar dichter. Sie waren nach Big Sur gefahren – die Chapmans hatten sie auf ihre Ranch eingeladen –, und hinter ihnen konnte man die Klippen erkennen und den leichten Nebel, der vom Ozean aufzog. Sie konnte sich nicht mehr genau an den Tag erinnern, außer dass ihr kalt gewesen war und Sam sich geweigert hatte, das Verdeck zu schließen. Das Foto hatte ihre Erinnerungen ersetzt und war zum Symbol für einen Lebensabschnitt geworden, in dem sie ihren Ehemann der Grausamkeit für unfähig und die gemeinsame Zukunft für eine stetige Entwicklung hin zum Besseren gehalten hatte – im Gegensatz zum ewigen Jetzt, wo man sich jeden Tag neu entscheiden musste, ob man weitermachen oder aufgeben wollte.
    Da ist er, dachte Marilyn. Der Mann, in den ich mich verliebt habe.
    Sie lehnte sich in Sams Sessel zurück, legte die Füße auf den Schreibtisch und den Kopf in den Nacken und beobachtete, wie der Qualm aus ihrem Mund an die Decke stieg. Sie wusste, als Schwangere sollte sie nicht rauchen, aber in diesem Moment fühlte sie sich in der Zigarette geborgen, musste an nichts mehr denken. Im Haus war es still. Sie nahm einen letzten Zug und blies eine lang gezogene Qualmwolke auf das Foto.
    Was tun?
    Als sie ein paar Minuten später in der Küche stand und auf den Schreibblock mit der langen Liste von Besorgungen, Hausarbeiten und Lebensmitteleinkäufen starrte, spielte Marilyn kurz mit dem Gedanken, nichts davon zu erledigen und sich für die nächsten vierundzwanzig Stunden so abweisend zu verhalten, dass ihrem Mann nichts übrig blieb, als endlich ihr Organisationstalent anzuerkennen; und dann, kurz vor dem Eintreffen der Gäste, könnte sie Chip und Kokie ins Auto packen, zu ihrem Vater fahren und nie wieder zurückkommen. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und ließ ihre Gedanken treiben.
    Abendessen , schrieb sie und unterstrich das Wort. Rollbraten, grüne Bohnen, Roggenbrot.
    Als Nächstes schrieb sie Dessert, auch das unterstrich sie. Sie schob sich das Stiftende zwischen die Lippen und fügte dann hinzu: Blaubeertorte mit Vanilleeis.
    Die mochte Sam am liebsten.
     
    Möbius blutete durch die Verbände, auf seinen Knien und an der Hand zeigten sich dunkelrote Kreise.
    Seit Marilyns Tod konnte Detective Sheppard kein Blut mehr sehen.
    »Wir bleiben auf der Zeitachse«, sagte Möbius. »Ich bin der Detective.«
    »In Ordnung«, sagte Sheppard.
    »Jener Morgen. Der dritte Juli.«
    »Ja?«
    »Sie stehen früh auf.«
    »Ich bin um sechs aufgestanden«, sagte Sheppard.
    »Obwohl es Samstag war?«
    »Ja.«
    »Und dann fahren Sie ins Krankenhaus.«
    »Ich war um kurz vor sieben da.«
    »Ihr Vater hat die Klinik gegründet, nicht wahr?«
    »Ja, das stimmt. Meine Brüder Richard und Stephen waren ebenfalls dort angestellt.«
    »Auf dem Parkplatz laufen Sie Stephen in die Arme, und Sie berichten ihm von Ihren Plänen fürs Wochenende.«
    »Er wollte den Tag auf seinem Segelboot verbringen, und ich habe ihn an die Assistenzärzteparty erinnert. Selbstverständlich habe ich ihn und seine Frau eingeladen.«
    »Und dann eilen Sie beide in den OP.«
    »Der Vormittag verlief recht unspektakulär.«
    »Bis der Junge eingeliefert wird.«
    »Ja«, sagte Sheppard.

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