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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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Weg zur Arbeit war; er bestaunte, wie Sheppards Zweireiher sich an den Schultern dehnte und in der Taille zusammenlief, er bewunderte die rote Seidenkrawatte und die schwarzen Quastenschuhe und dachte: In dieser Kleidung würde ich genauso gut aussehen. So würde ich aussehen, wenn ich ein Arzt wäre. Sie liefen aneinander vorbei, und Eberling, beide Hände voll mit Eimern und Wischmopps, sagte: »Guten Morgen, Dr. Sheppard.« Der Doktor, ohne ihn anzusehen, antwortete: »Gleichfalls« und lief eilig weiter, um in sein nagelneues Jaguar-Cabriolet zu klettern – den MG hatte er verkauft – und den Motor aufheulen zu lassen, bevor er davonbrauste.
    Eberling blieb für einen Moment stehen und schaute zu, wie der Wagen um die Ecke verschwand.
    Draußen war es gleißend hell, und seine Augen mussten sich erst auf die Lichtverhältnisse einstellen, als er das Haus betrat: und da, in der Küche, kniete Marilyn vor ihrem Sohn. Sie hielt seine Arme fest, so als sei sie ihm böse. Sie drehte sich ganz plötzlich zu Eberling um. »Wie konntest du so rücksichtslos sein?«, fragte sie, dann stand sie auf.
    »Oh«, sagte sie, »das tut mir leid, Dick.« Sie schaute über seine Schulter. »Ich habe Sie für Sam gehalten.«
    »Es tut mir leid, Mrs. Sheppard, ich hätte anklopfen sollen.«
    »Nein, nein«, sagte sie, »der strenge Ton galt nicht Ihnen.« Lachend schüttelte sie den Kopf. Sie trug Shorts und drückte sich den Kopf des Jungen an den nackten Oberschenkel. »Nennen Sie mich Marilyn«, sagte sie, »Mrs. Sheppard klingt so alt .«
    Jetzt, im Lieferwagen, kurbelte Eberling die Seitenscheibe herunter. Es wurde warm, er konnte die Reinigungsmittel riechen, die hinten im Wagen lagen, den Glasreiniger und den Mr. Proper und den schwachen Duft von Ammoniak und Ölseife, der aus den Wischmopps aufstieg. Heute musste er vier Häuser putzen. Alle wollten am vierten Juli eine Party schmeißen und ein blitzsauberes Haus vorzeigen, damit die Gäste dachten, es sähe immer so aus; keine kleinen Scheißflecken auf der Klobrille und keine Hundehaare auf dem Sofa und keine Kittklumpen aus Zahnpasta im Waschbecken; stattdessen spiegelnde Möbel und Armaturen und dazu Fußböden, von denen man bedenkenlos essen konnte. Und bedankte sich am Ende irgendwer bei Dick’s Reinigungsservice für die gute Arbeit? Wohl kaum. Niemand bedankte sich je bei ihm, niemand außer Marilyn.
    In der Ferne, im Haus der Sheppards, sah Eberling eine Gestalt im Schlafzimmerfenster auftauchen. Bestimmt war sie es. Er stieg aus dem Lieferwagen, und der kühle, kräftige Wind schlug ihm entgegen. Zwei Jungen kamen aus den Büschen am Haus geschossen, sprangen die Treppe zum Ufer hinunter und liefen über den Strand davon. Eberling hatte den Eindruck, Marilyn schaue herüber, und für einen Augenblick fragte er sich, ob sie ihn gesehen hatte. Und würde sie, falls sie ihn erkannte, das Schlafzimmerfenster hochschieben und ihm zuwinken? Würde sie ihm ein Zeichen geben?
    Vor drei Tagen, als er mit der Arbeit fertig gewesen war, hatte er an den Türrahmen der eingezäunten Veranda hinter dem Haus geklopft, von der aus man den See überblickte. Es war kurz nach Mittag, und Marilyn und ihr Sohn saßen am Tisch und aßen Brownies und tranken Milch. Sie hatte weiße, knappe Shorts getragen und eine weiße Kurzarmbluse, durch deren Knopflöcher man ihre gebräunte Haut und ein Stück von ihrem weißen Spitzen-BH sehen konnte.
    »Ich bin dann jetzt fertig, Mrs. Sheppard.«
    »Vielen Dank, Dick.«
    Er beobachtete, wie sie Chip beim Essen beobachtete, und verspürte einen scharfen Stich, eine Art Hunger. »Möchten Sie noch einen Blick darauf werfen, bevor ich gehe?«, fragte er.
    »Nein, ist schon gut«, sagte sie. »Sie leisten immer ausgezeichnete Arbeit.«
    Eberling lächelte, und als Marilyn sein Lächeln erwiderte, sah er, dass ihre nussbraunen Augen eher grün als braun waren. Im selben Moment warf der Junge sein Milchglas vom Tisch.
    »Das mache ich«, sagte Eberling. Er zog einen Lappen aus seiner Gesäßtasche und wischte die Milch auf, starrte für einen Moment auf die pummeligen Beine des Kindes, die unter dem Tisch baumelten, auf das Modellflugzeug aus Balsaholz, das hier auf dem Fußboden stand und auf das Eberling sein Knie stützte, bis er ein Knacken hörte. Als er fertig war, ging er in die Küche, um den Lappen über der Spüle auszuwringen. Marilyn nahm die Milchflasche aus dem Kühlschrank und ein neues Glas aus dem Schrank, und bevor sie wieder

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