Mister Perfekt
leisten kann«, antwortete sie wie immer. Was tat es schon zur Sache, dass die Viper ein Vermögen gekostet hatte, obwohl der Wagen gebraucht war und über siebzigtausend Kilometer auf dem Buckel gehabt hatte, als sie ihn kaufte.
»Ich habe mir eben ein Haus gekauft, müssen Sie wissen. Wenn mein Dad mir das Auto nicht geschenkt hätte, würde ich es bestimmt nicht fahren.«
Das Letzte war eine direkte Lüge, mit der sie sich aber die meisten Leute für eine Weile vom Hals halten konnte. Gott sei Dank ahnte niemand hier, wer ihr Vater war, sonst hätten sie gewusst, dass er bis ins Mark ein Ford-Mann war. Er hatte es als persönliche Beleidigung empfunden, dass sie die Viper gekauft hatte, und versäumte nie, ein paar abfällige Bemerkungen darüber zu machen.
»Tja, da hat Ihr Dad wohl einen Fehler gemacht.«
»Er kennt sich mit Autos nicht aus.« Sie spannte die Muskeln an und machte sich auf den strafenden Blitz gefasst, der sie für diesen dicken Klops vom Angesicht der Erde tilgen musste.
Sie parkte die Viper im hintersten Eck des Geländes, wo die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ihr eine Beule verpasste, am geringsten war. Ihre Kollegen bei Hammerstead witzelten gern, dass ihr Wagen wohl verfemt sei. Zugegeben, praktisch war der Parkplatz nicht, vor allem bei Regen, aber lieber wurde sie nass, als dass ihre Viper verletzt wurde. Bei der Anfahrt über die I-696 bekam sie schon genug graue Haare.
Hammerstead war in einem vierstöckigen roten Backsteingebäude mit grauem Bogenportikus untergebracht, vor dem sechs geschwungene Stufen zu einer eindrucksvollen Doppeltür führten. Dieser Eingang wurde allerdings ausschließlich von Besuchern benutzt. Alle Angestellten betraten das Haus durch eine Metallschiebetür mit elektronischem Schloss, hinter der man in einen schmalen, schleimgrünen Gang kam, wo sich die Büros der Putzkolonne und des Hausmeisters sowie ein dunkler, miefiger Raum mit der Aufschrift »Lager« befanden. Was genau dort gelagert wurde, wollte Jaine lieber nicht wissen.
Der schleimgrüne Gang endete mit drei Stufen, die zu einer weiteren Metalltür führten. Dahinter ging es in einen mit grauem Teppichboden ausgelegten Flur, der durch das ganze Gebäude verlief und von dem aus wie Adern weitere Gänge und die verschiedensten Büros abzweigten. Die beiden unteren Stockwerke waren den Computerfreaks vorbehalten, jenen befremdlichen und ehrfurchtslosen Wesen, die sich in einem unverständlichen Kauderwelsch über Bytes und USB-Ports unterhielten. Der Zugang zu diesen Stockwerken war eingeschränkt; man brauchte einen Firmenausweis, um in den schleimgrünen Gang zu kommen, und einen weiteren, um in irgendein Büro oder einen Raum zu gelangen. Es gab zwei Lifte und am anderen Ende des Gebäudes eine Treppe für die Gesundheitsapostel.
Als sie in den grauen Teppichbodenflur trat, fiel ihr ein handgeschriebenes Plakat ins Auge. Das Plakat hing direkt über den Aufzugknöpfen. In grünen und lila Wachsmalbuchstaben, ummalt mit schwarzem Markerstift, stand dort die neue Firmendirektive:
AB SOFORT SIND ALLE ANGESTELLTEN VERPFLICHTET, EIN KOMBINIERTES GINSENG-VIAGRA-PRÄPARAT EINZUNEHMEN, DAMIT SIE KEINE SEKUNDE VERGESSEN, STETS IHREN MANN ZU STEHEN!
Sie musste kichern. Die Chaoten waren heute in Form. Sie rebellierten von Natur aus gegen jede Autorität und Struktur; solche Plakate tauchten ständig irgendwo auf, wenigstens bis jemand von der Verwaltung erschien und sie abhängte. Sie stellte sich vor, dass überall im Gang Augen durch Türspalte schielten und sich die Täter daran ergötzten, wie ihre Kollegen auf diesen neuesten Anschlag auf die Würde der Firma reagierten.
Die Tür ging hinter ihr auf, und Jaine wandte den Kopf, um festzustellen, wer nach ihr gekommen war. Es kostete sie Beherrschung, nicht die Nase zu rümpfen.
Leah Street arbeitete in der Personalabteilung, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie nichts, aber auch gar nichts mit Humor nahm. Sie war groß gewachsen und hatte es sich in den Kopf gesetzt, irgendwann ins Management aufzusteigen, wenngleich sie nicht zu wissen schien, wie sie das anfangen sollte. Sie trug stets eher mädchenhafte Kleider statt Geschäftsfrauenkostüme, die ihre gertenschlanke Figur betont hätten. Sie war eine attraktive Frau mit blondem Federhaar und makelloser Haut, aber sie hatte absolut kein Gespür für Mode.
Ihr herausstechendes Merkmal waren ihre Hände, die schlank und elegant wirkten und die stets perfekt manikürt
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