Mister Perfekt
stand der Vollidiot, mit blutunterlaufenen Augen, fies feixend und in verdreckten Sachen: sein übliches Erscheinungsbild. Er fasste an ihr vorbei und schob den Motorhebel auf AUS, sodass die emsige kleine Maschine knurrend erstarb.
Stille.
Etwa eine halbe Sekunde lang.
»Was soll das, verflucht noch mal?«, brüllte sie ihn an, mit zornesrotem Gesicht, einen Schritt nach vorne machend und die Rechte, ohne dass sie es merkte, zur Faust geballt.
»Ich dachte, Sie wollten weniger fluchen«, spottete er.
»Sie würden eine Heilige zum Fluchen bringen!«
»Da haben Sie erst recht keine Chance, wie?«
»Da haben Sie verdammt Recht!«
Er fasste ihre rechte Hand ins Auge. »Wollen Sie die einsetzen, oder werden Sie vernünftig bleiben?«
»Was -?« Sie sah an sich herab und merkte, dass sie den rechten Arm angewinkelt und die Faust bereits zurückgezogen hatte. Mühsam entspannte sie ihre Finger. Sie formierten sich jedoch wie von selbst wieder zur Faust. Sie wollte ihm so, so gern eine reindreschen, und es machte sie noch wütender, dass ihr das verwehrt war.
»Vernünftig?«, gellte sie ihn an und machte noch einen Schritt auf ihn zu. »Sie möchten, dass ich vernünftig bin? Sie haben schließlich mir einen Todesschrecken eingejagt und meinen Rasenmäher ausgeschaltet!«
»Ich versuche nur zu schlafen.« Er betonte jedes einzelne Wort und machte jeweils eine kleine Pause davor. »Ist ein bisschen Rücksicht wirklich zu viel verlangt?«
Sie riss die Augen auf. »Sie tun ja gerade so, als würde ich vor Tag und Tau mähen. Es ist gleich zehn Uhr vormittags!
Und ich bin nicht die Einzige, die das Kapitalverbrechen begeht, Gras zu schneiden . Hören Sie mal«, befahl sie und lauschte dem gedämpften Brummen der Rasenmäher in der Nachbarschaft.
» Die mähen aber nicht direkt vor meinem Schlafzimmerfenster.«
»Dann gehen Sie einfach früher ins Bett. Ich kann schließlich nichts dafür, wenn Sie bis tief in die Nacht aufbleiben!«
Sein Gesicht wurde so rot wie ihres. »Ich gehöre zu einem Einsatzkommando, Lady! Da hat man unregelmäßige Arbeitszeiten. Ich schlafe, wann immer ich kann, und seit Sie eingezogen sind, war das verdammt selten.«
Sie warf die Hände hoch. »Na schön! Gut! Dann mähe ich eben heute Abend fertig, wenn es kühler ist.« Sie wedelte ihn mit der Hand zurück. »Verkriechen Sie sich wieder ins Bett. Ich werde ins Haus gehen und die nächsten elf Stunden reglos im Sessel sitzen bleiben. Oder stört auch das Ihren Schönheitsschlaf?«, wollte sie zuckersüß wissen.
»Nur wenn Sie sich Silvesterböller in den Arsch schieben«, fuhr er sie an und stakste zu seinem Haus zurück.
Wahrscheinlich gab es ein Gesetz, das verbot, Steine auf fremde Häuser zu schmeißen, dachte sie. Kochend vor Wut schob sie den Rasenmäher zurück in die Garage, ließ das Vorhängeschloss einschnappen und fuhr ihr Auto von der Straße wieder in die Einfahrt. Sie hätte ihm zu gern mal gezeigt, was sie mit ein paar Silvesterböllern anstellen konnte, und sie hätte sich ganz bestimmt nicht draufgesetzt.
Sie stapfte ins Haus und erdolchte BooBoo mit Blicken, der sich ungerührt die Pfoten leckte. »Ein Einsatzkommando«, knurrte sie. »Ich bin überhaupt nicht unvernünftig. Das hätte er mir nur ganz ruhig erklären zu brauchen, und ich hätte liebend gern erst später weitergemäht. Aber nein , er muss sich ja zum Arsch machen.«
BooBoo peilte sie an.
»Arsch ist kein Fluch«, verteidigte sie sich. »Außerdem kann ich nichts dafür. Soll ich dir mal ein Geheimnis über unseren Nachbarn verraten, BooBoo? Mr. Perfekt ist er eindeutig nicht.«
4
Jaine schaffte es, das Wochenende ohne eine weitere Konfrontation mit ihrem nervtötenden Nachbarn zu überstehen, und erschien am Montag eine Viertelstunde zu früh in der Arbeit, um für ihr Zuspätkommen am Freitag zu sühnen, obwohl sie am Freitag bereits länger gearbeitet hatte, um die Zeit auszugleichen. Als sie am Tor anhielt, beugte sich der Pförtner aus seinem Fenster und fasste missbilligend ihre Viper ins Auge.
»Wann schmeißen Sie endlich diese Schrottkiste weg und kaufen sich einen Chevrolet?«
So etwas bekam sie fast jeden Tag zu hören. Das war nicht zu vermeiden, wenn man in der Gegend um Detroit in einer Firma arbeitete, die auch nur entfernt mit der Autoindustrie zu tun hatte. Es wurde erwartet, dass man jenem der drei Autokonzerne, dem man direkt oder indirekt den Arbeitsplatz verdankte, Markentreue zollte.
»Sobald ich es mir
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