Mister Perfekt
Fahrertür für sie schließen. »Gegen den Muskelkater hilft eine Massage. Und ein Dampfbad.«
Sie sah ihn entrüstet an. »Dampf? Soll das heißen, ich habe heute Morgen ganz umsons t kalt geduscht?«
Er fing an zu lachen, obwohl sie sehnlichst wünschte, er würde das unterlassen. Er hatte ein angenehmes tiefes Lachen und blendend weiße Zähne.
»Kälte hilft auch. Versuchen Sie's abwechselnd mit Hitze und Kälte, um die Muskeln zu lockern. Und lassen Sie sich bei Gelegenheit eine Massage verpassen.«
Sie glaubte nicht, dass es auf dem Gelände von Hammerstead Technology ein verstecktes Kurbad gab, aber vielleicht würde sie sich später ans Telefon hängen und einen Termin für heute Nachmittag vereinbaren. Sie nickte.
»Gute Idee. Vielen Dank.«
Er nickte, drückte die Autotür ins Schloss und trat einen Schritt zurück. Eine Hand grüßend erhoben, kehrte er zu seinem Wagen zurück. Noch bevor er den Schlag geöffnet hatte, raste Jaines Viper die Straße hinunter.
Vielleicht konnte man ja doch mit ihm auskommen, dachte sie leise lächelnd. Er und seine Handschellen waren am Abend zuvor jedenfalls ganz gelegen gekommen.
Obwohl sie mit dem Wortwechsel ein paar Minuten vertrödelt hatte, war sie immer noch früh in der Firma, wodurch ihr genügend Zeit blieb, sich aus dem Auto zu schälen. Heute stand auf dem Schild über den Aufzugknöpfen:
FEHLER SIND BEI UNS KEINE KATASTROPHE, SONDERN FESTER BESTANDTEIL DER SOFTWARE.
Irgendwie glaubte sie, dass man in der Führungsetage dieses Plakat noch schlechter aufnehmen würde als das vom Vortag.
Doch die Wahnsinnigen und Computerfreaks aus den beiden unteren Stockwerken fanden es wahrscheinlich umwerfend komisch.
Allmählich trudelten alle ein. Die Gespräche an diesem Morgen drehten sich ausschließlich um den Artikel in der Hauszeitung, und zwar entweder um den Inhalt oder um Spekulationen über die Identität der vier Frauen. Die meisten waren der Meinung, dass der gesamte Artikel ein Fantasieprodukt des Verfassers sei und dass die vier Freundinnen reine Fiktion waren, was Jaine sehr gelegen kam.
Sie hielt den Mund und drückte sich selbst unter dem Tisch beide Daumen.
»Ich habe den Artikel gelesen und meiner Cousine in Chicago geschickt«, hörte sie jemanden im Gang sagen. Sie war ziemlich sicher, dass er nicht über einen Artikel in den Detroit News sprach.
Na super. Die Sache zog immer größere Kreise.
Weil ihr bei dem Gedanken, bei einem Mittagessen in einem Restaurant mehrmals in ihr Auto ein- und wieder aussteigen zu müssen, ganz schwach wurde, beschränkte sie sich auf ein paar Erdnusscracker und eine Limo im Pausenraum. Natürlich hätte sie T.J. oder eine der anderen bitten können, ihr einen Imbiss mitzubringen, aber sie hatte keine Lust auf lange Erklärungen, warum sie Probleme hatte, in ihr Auto zu steigen. Zu erzählen, dass sie einen Betrunkenen attackiert hatte, kam ihr wie Aufschneiderei vor, da sie in Wahrheit viel zu wütend gewesen war, um die Konsequenzen ihrer Tat zu überdenken.
Leah Street trat in den Pausenraum und holte ihr adrett verpacktes Mittagessen aus dem Kühlschrank. Bei ihr gab es heute ein Sandwich (Truthahnbrust und Kopfsalat auf Vollkornbrot), eine Schale Gemüsesuppe (die sie in der Mikrowelle erwärmte) und eine Orange. Jaine seufzte, hin- und hergerissen zwischen Hass und Neid. Wie sollte man jemanden mögen, der so gut organisiert war? Menschen wie Leah, dachte Jaine, waren nur auf der Welt, um allen anderen das Gefühl zu geben, unvollkommen zu sein. Wenn sie sich ein paar Gedanken gemacht hätte, dann hätte sie sich ebenfalls ein Mittagessen einpacken können, statt sich mit Erdnusscrackern und einer Diät-Limo voll stopfen zu müssen.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, fragte Leah, und Jaine spürte, wie ihr Gewissen sie piesackte. Da außer ihnen niemand im Pausenraum war, hätte sie Leah eigentlich anbieten müssen, ihr Gesellschaft zu leisten. Die meisten Leute bei Hammerstead hätten sich einfach an ihren Tisch gesetzt, aber vielleicht hatte man Leah schon so oft das Gefühl gegeben, nicht willkommen zu sein, dass sie inzwischen glaubte, erst fragen zu müssen.
»Klar.« Jaine versuchte, Wärme in ihre Stimme einfließen zu lassen. »Aber gern doch.« Wenn sie katholisch gewesen wäre, hätte sie diesen Satz definitiv beichten müssen; es war ein noch dickerer Klops als die Behauptung, ihr Vater würde nichts von Autos verstehen.
Leah arrangierte ihr nährstoffreiches, liebevoll zubereitetes
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