Mister Perfekt
wie viel der Gerichtsmediziner zu tun hat. Vielleicht findet die Beerdigung erst am Wochenende statt.«
Auch darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Dass Marcis Leichnam mehrere Tage in einem Tiefkühlfach liegen würde.
»Dann gehe ich morgen wieder arbeiten. Falls ihre Schwester es möchte, helfe ich gern bei den Vorbereitungen für die Beisetzung, aber ich nehme an, momentan gibt's nicht viel zu tun.«
»Noch nicht.« Er küsste sie noch mal, hob dann ihre Hände an, in denen sie immer noch die Gurkenscheiben hielt, und setzte sie auf ihre Lider zurück. »Lass sie lieber dort liegen. Du siehst beschissen aus.«
»Herzlichen Dank«, meinte sie trocken und hörte ihn beim Hinausgehen leise lachen.
Erst blieb es still. Dann sagte Shelley: »Er ist anders.«
Anders als Jaines drei Ex-Verlobte, meinte sie. Nein so was.
»Ja«, stimmte Jaine ihr zu.
»Das scheint ja ziemlich ernst zu sein. Du kennst ihn noch nicht lang.«
Wenn Shelley wüsste! Wahrscheinlich rechnete sie die gesamten drei Wochen mit ein, die Jaine hier schon wohnte.
Was würde sie wohl sagen, wenn Jaine ihr erzählte, dass sie Sam zwei Wochen davon entweder für einen Säufer oder für einen Drogendealer gehalten hatte.
»Ich weiß nicht, ob es ernst ist«, sagte sie, obwohl das gelogen war. »Ich will nichts überstürzen.« Ihretwegen konnte es sofort zur Sache gehen. Sie hatte sich in den großen Vollidioten verliebt. Wie oder was er genau empfand, war indessen noch nicht heraus.
»Gut«, bekräftigte Shelley. »Du willst bestimmt nicht noch eine geplatzte Verlobung.«
Shelley hätte den Tag auch über die Runden bringen können, ohne Jaines miserable Beziehungsbilanz zu erwähnen, aber Shelley war noch nie für ihren Takt berühmt gewesen.
Andererseits hatte Jaine nie daran gezweifelt, dass ihre Schwester sie liebte, was eine Menge Taktlosigkeiten aufwog.
Das Telefon läutete. Jaine nahm die Gurkenscheiben ab und fasste im gleichen Moment wie Shelley nach dem Hörer. »Sam hat gesagt, ich soll ans Telefon gehen«, zischte Shelley, als könnte der unbekannte Anrufer sie hören.
Diddel-dii.
»Seit wann befolgst du Anweisungen von Menschen, vor denen du mich gerade noch gewarnt hast?«, fragte Jaine trocken.
Diddel-dii.
»Ich habe dich nicht wirklich gewarnt -«
Diddel-dii.
Da Jaine wusste, dass diese Mini-Diskussion sich gut eine halbe Stunde lang hinziehen konnte, drückte sie die Sprechtaste, bevor der Anrufbeantworter anspringen konnte.
»Hallo?«
» Welche bist du ?«
»Was?«, fragte sie verdutzt.
» Welche bist du ?«
Sie trennte die Verbindung und legte das Telefon mit ernster Miene zurück auf den Tisch.
»Wer war das?«, erkundigte sich Shelley.
»Irgendein Spaßvogel. Marci, T.J. und Luna haben auch solche perversen Anrufe bekommen, seit die Liste die Runde gemacht hat.« Ihre Stimme stockte kurz, als sie Marci erwähnte.
»Es ist immer derselbe Typ und er sagt immer dasselbe.«
»Hast du der Telefongesellschaft gemeldet, dass du obszöne Anrufe bekommst?«
»Es sind keine obszönen Anrufe. Er sagt nur:›Welche bist du?‹, in einem eigenartigen Flüstern. Ich tippe, es ist ein Kerl, aber das lässt sich schwer sagen, wenn jemand flüstert.«
Shelley verdrehte die Augen. »Ein perverser Anruf wegen der Liste? Du kannst darauf wetten, dass es ein Typ ist. AI hat erzählt, die Typen bei ihm in der Arbeit hätten sich ziemlich über gewisse Teile der Liste aufgeregt. Dreimal darfst du raten, über welche Teile.«
»Die Teile, die mit ihren Teilen zu tun haben?« Als müsste sie da raten.
»Männer sind so berechenbar, nicht wahr?« Shelley wanderte in der Küche herum und riss dabei alle möglichen Schubladen und Türen auf.
»Was machst du da?«
»Ich orientiere mich, was wo liegt, damit ich beim Kochen nicht dauernd suchen muss.«
»Du willst kochen? Was denn?« Einen kurzen, verrückten Moment rätselte Jaine, ob Shelley vielleicht die Zutaten für das Abendessen ihrer Familie mitgebracht hatte. Schließlich hatte sie schon eine riesige Gurke aus ihrer Tasche gezaubert; nur Gott wusste, was sich ansonsten darin befand. Vielleicht ein Braten?
»Ich mache uns Frühstück«, antwortete Shelley. »Und du wirst auch was essen.«
Tatsächlich war Jaine, nachdem sie am Abend zuvor das Essen hatte ausfallen lassen, hungrig. Hielt Shelley sie für total bescheuert? Nie im Leben würde sie ein Frühstück verweigern.
»Ich werde es versuchen«, sagte sie kläglich und legte die Gurkenscheiben wieder auf
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