Mister Perfekt
hatten genauso verquollen ausgesehen wie Jaines. Shelley hatte weitere Gurkenscheiben abgehackt und dann noch mehr Pfannkuchen gebacken, die Jaines Freundinnen ebensolchen Trost spendeten wie zuvor Jaine.
Shelley war Marci nie begegnet, aber sie hörte bereitwillig zu, wenn die anderen von ihr erzählten, was sie den ganzen Tag lang getan hatten. Sie hatten viel geweint, etwas gelacht und einen Haufen Zeit damit vergeudet, Theorien zu spinnen, was vorgefallen sein mochte, nachdem Brick ein so wasserdichtes Alibi hatte. Ihnen war klar, dass sie nicht über DIE WAHRHEITstolpern würden, aber es half, darüber zu sprechen. Marcis Tod war so unfassbar, dass sie sich nur durch ständiges Reden und Diskutieren allmählich an den Gedanken gewöhnen konnten, sie verloren zu haben.
Ausnahmsweise war sie heute nicht früh dran. Mr. deWynter war schon vor ihr eingetroffen und bat sie, umgehend in sein Büro zu kommen.
Jaine seufzte. Sie mochte zwar für die Lohnbuchhaltung verantwortlich sein, doch diese Position brachte leider keinerlei Vergünstigungen, sondern nur Verpflichtungen mit sich. Indem sie am Montag früher gegangen und am Dienstag gar nicht erschienen war, hatte sie ihre Kolleginnen im Stich gelassen.
DeWynter hatte bestimmt Blut und Wasser geschwitzt und sich gefragt, ob sie alles noch rechtzeitig hinbekommen würden; die Menschen neigten dazu, ziemlich unvernünftig zu reagieren, wenn sie ihren Lohn nicht pünktlich erhielten.
Sie machte sich auf eine Standpauke gefasst, darum traf es sie vollkommen unvorbereitet, als er sagte: »Ich möchte Ihnen nur sagen, wie Leid mir das mit Ihrer Freundin tut. Das ist wirklich ganz entsetzlich.«
Sie hatte sich fest vorgenommen, nicht im Büro zu weinen, doch deWynters unerwartetes Mitgefühl brachte ihren Vorsatz zum Wanken. Sie blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Es ist wirklich entsetzlich. Und ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich die Abteilung am Montag im Stich gelassen -«
Er schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich. Wir mussten ein paar Überstunden einlegen, aber keiner hat sich beschwert. Für wann ist die Beerdigung angesetzt?«
»Noch gar nicht. Die Autopsie -«
»Ach, natürlich, natürlich. Bitte lassen Sie mich wissen, wann sie stattfindet; viele Kollegen und Kolleginnen möchten dabei sein.«
Jaine versprach es mit einem Nicken, dann floh sie zurück an ihren Schreibtisch und zu ihrer liegen gebliebenen Arbeit.
Sie hatte gewusst, dass es ein schwerer Tag werden würde, aber wie schwer, hatte sie nicht geahnt. Gina und alle anderen in ihrer Abteilung sprachen natürlich ihr Beileid aus, was sie jedes Mal von neuem zum Weinen brachte. Da sie keine Gurke mitgenommen hatte, musste sie den ganzen Tag gegen die Tränen ankämpfen.
Ohne dass es verabredet war, tauchten T.J. und Luna mittags bei ihr auf.
»Railroad Pizza?«, fragte T.J., und alle stiegen für die kurze Fahrt in T.J.s Auto.
Sie hatten eben ihre vegetarischen Pizzen serviert bekommen, als Jaine einfiel, dass sie den beiden noch nicht von dem perversen Anruf erzählt hatte, den sie am Vortag kurz vor ihrem Eintreffen erhalten hatte. »Ich habe jetzt auch so einen ›Welche bist du‹ -Anruf bekommen«, sagte sie.
»Sind die nicht eklig?« Luna biss ohne großen Appetit von ihrer Pizza ab. Ihr bezauberndes Gesicht sah aus, als wäre sie in den vergangenen zwei Tagen um zehn Jahre gealtert. »Da wir alle schon mindestens zwei von der Sorte gekriegt haben, überrascht es mich, dass er so lange gebraucht hat, um zu dir vorzudringen.«
»Na ja, auf meinem Anrufbeantworter sind eine Menge Anrufe, auf denen niemand was sagt, aber ich dachte, die kämen von irgendwelchen Reportern.«
»Wahrscheinlich. Von denen hatten wir weiß Gott auch genug.« T.J. rieb sich die Stirn. »Mir dröhnt der Kopf. Ich glaube, ich habe es erst richtig begriffen, als ich gestern Abend heimgekommen bin, und ich habe geweint, bis ich mich übergeben musste. Galan -«
Jaine sah auf. »Ja, was ist eigentlich mit Galan? Schläft er immer noch im Motel?«
»Nein. Am Montag, als wir es erfahren haben, war er natürlich in der Arbeit, aber er hat immer wieder angerufen und mir aufs Band gesprochen, und am Abend ist er heimgekommen. Ich schätze, die ganze Sache ist noch in der Schwebe. Aber wegen Marci war mir nicht danach, unsere Beziehung durchzukauen. Er war eher still, aber auch...fürsorglich. Vielleicht hofft er, dass ich die ganze Geschichte einfach vergesse.«
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