Mister Perfekt
schon gehen deine Nachbarn bei dir aus und ein und wissen, wo deine Kaffeetassen stehen?«
»Ich bin Detektive«, erklärte Sam grinsend. »Es ist mein Beruf, solche Dinge herauszufinden.«
Shelley bedachte ihn mit ihrem Queen-Victoria-Blick, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie ganz und gar nicht amüsiert war.
Jaine spielte mit dem Gedanken, aufzustehen und sich an ihn zu schmiegen, einfach weil es ihr in seiner Nähe besser ging. Sie wusste nicht, was sie gestern ohne ihn angefangen hätte. Er war ihr ein Fels gewesen, wie eine Mauer hatte er zwischen ihr und den Anrufen gestanden, und wenn Sam jemanden bat, nicht mehr anzurufen, dann klang er dabei so, dass ihn die Menschen beim Wort nahmen.
Heute allerdings würde er nicht bei ihr bleiben, begriff sie. Er hatte seine Berufskleidung an, beige Hosen und ein frisches weißes Hemd. Sein Piepser war am Gürtel festgeklippst, und über seiner rechten Niere hing seine Waffe. Shelley beäugte ihn wie ein exotisches Tier und suchte nur noch mit halber Kraft nach einem Messer.
Schließlich zog sie dennoch die richtige Schublade auf und kramte ein Gemüsemesser hervor.
»Ach«, murmelte Jaine halb interessiert, »da liegen sie also.«
Das Messer in der einen Hand, die Gurke in der anderen, drehte Shelley sich zu Sam um.
»Schlaft ihr miteinander?«, herrschte sie ihn an.
»Shelley!«, fuhr Jaine sie an.
»Noch nicht«, erwiderte Sam mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein.
Stille senkte sich über die Küche. Shelley begann die Gurke mit kurzen, aggressiven Bewegungen zu schälen.
»Ihr seht gar nicht aus wie Schwestern«, bemerkte Sam, als hätte er nicht gerade erst die Unterhaltung zum Erliegen gebracht.
Diese Bemerkung hatten beide Schwestern so oder leicht abgewandelt seit ihrer frühesten Kindheit gehört.
»Shelley sieht eher nach Dad aus, hat aber Moms Farben, während ich wie Mom aussehe und Dads Farben habe«, antwortete Jaine automatisch. Shelley war groß, fast fünfzehn Zentimeter größer als Jaine, dazu schlaksig und blond. Das Blond war nur geborgt, passte aber gut zu Shelleys haselbraunen Augen.
»Bleiben Sie heute bei ihr?«, fragte Sam Shelley.
»Ich brauche niemanden, der bei mir bleibt«, sagte Jaine.
»Ja«, sagte Shelley.
»Dann wimmeln Sie die Reporter ab, okay?«
»Ich brauche niemanden, der bei mir bleibt«, wiederholte Jaine.
»In Ordnung«, sagte Shelley zu Sam.
»Fein«, meinte Jaine. »Ich bin hier ja nur zu Hause. Da braucht niemand auf mich zu hören.«
Shelley hackte zwei Gurkenscheiben ab. »Leg den Kopf zurück, und mach die Augen zu.«
Jaine legte zurück und machte zu. »Ich dachte, ich sollte mich dafür hinlegen.«
»Zu spät.« Shelley klatschte die kalten grünen Scheiben auf Jaines wunde Lider.
Ach, fühlte sich das gut an, so kalt und feucht und unglaublich lindernd. Wahrscheinlich würde sie bis zu Marcis Beerdigung einen ganzen Sack Gurken brauchen, dachte Jaine, und im selben Moment kehrte die Trauer zurück. Sam und Shelley hatten sie kurzzeitig verdrängt, und sie war den beiden dankbar für die Atempause.
»Der ermittelnde Detective hat mich angerufen«, berichtete Sam. »Marcis Freund Brick hat von Donnerstagabend bis Samstagnachmittag in Detroit im Gefängnis gesessen. Er ist sauber.«
»Ein Fremder ist eingebrochen und hat sie umgebracht?«
Jaine nahm die Gurkenscheiben ab und hob den Kopf, um ihn anzusehen.
»Wer immer es war, nichts deutet darauf hin, dass er gewaltsam ins Haus eingedrungen wäre.«
Das hatte sie schon in der Morgenzeitung gelesen.
»Du weißt mehr, als du sagst, nicht wahr?«
Er zuckte mit den Achseln. »Wir Bullen wissen immer mehr, als wir sagen.«
Und er würde ihr keine Einzelheiten verraten; das erkannte sie daran, wie die Polizistenmaske über sein Gesicht rutschte. Sie versuchte, sich nicht auszumalen, was das wohl für Einzelheiten waren.
Er leerte seine Tasse, spülte sie aus und stellte sie umgedreht auf den Ablauf. Dann bückte er sich und drückte ihr einen warmen, kurzen Kuss auf den Mund.
»Du hast die Nummer von meinem Handy und meinem Piepser; ruf einfach an, wenn du mich brauchst.«
»Es wird schon gehen«, erklärte sie ihm und meinte es auch.
»Ach ja - weißt du, ob Marcis Schwester hier ist?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie ist zurück nach Saginaw gefahren. Hier kann sie noch nichts tun. Das Haus ist nach wie vor versiegelt, und wie bei jedem Mordfall muss eine Autopsie vorgenommen werden. Wie lange das dauert, hängt davon ab,
Weitere Kostenlose Bücher