Misterioso
schwedisch, dann auf russisch. Das Gespräch verlief insgesamt allerdings ziemlich einseitig. Mit seinen ersten Worten verlangte Brjusov einen Anwalt. Die Forderung wurde mit vagen Hinweisen auf die Sicherheit des Landes abgewiesen; eine absolut zuverlässige Methode. Die übrigen Fragen, inklusive der zu der Monk-Aufnahme, beantwortete Brjusov mit einem ironischen Lächeln. Nur einmal sagte er unvermittelt zu Söderstedt: »Ich erkenne Sie wieder.«
Ansonsten blieb er stumm. Zumindest bis folgende Frage kam: »Wo ist Valerij Trepljov?«
Da lachte Alexander Brjusov laut und sagte in astreinem Schwedisch: »Das, meine Herren, ist eine tiefreligiöse Frage.«
Danach sagte er nichts mehr.
Der leitende Staatsanwalt hatte keinen leichten Stand bei den Verhandlungen zur Verhängung der Untersuchungshaft.
Nicht genug mit dem an sich schon überwältigenden Mangel an Beweisen; als der auch noch in Form der elaborierten Sarkasmen des Topanwalts Reynold Rangsmyhr vorgetragen wurde, nahm die Angelegenheit geradezu lächerliche Züge an.
Die Leute der A-Gruppe, die im Zuschauerraum saßen, waren weniger mit der Frage beschäftigt, ob das halbierte Igor-Duo auf freien Fuß gesetzt werden würde, als damit, wie es kam, dass der möglicherweise beste, aber definitiv teuerste Anwalt Stockholms als Verteidiger für einen russischen Alkoholschmuggler auftrat.
Sie wurden Zeugen eines erbitterten Ringkampfes, der, wie erwartet, damit endete, dass der Richter sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die polizeilichen Behörden aufs schärfste dafür tadelte, Zeit und Ressourcen des Rechtssystems angesichts dieses im voraus abzusehenden Urteils unnötig in Anspruch genommen zu haben. Zu allem Überfluss gelang es dem freigelassenen Alexander Brjusov, noch im Rathaus unterzutauchen. Niemand sah ihn zu irgendeinem Zeitpunkt das Gebäude verlassen.
»Was ist eigentlich passiert?« erdreistete sich Gunnar Ny-berg bei der Nachmittagszusammenkunft in der Kampfleitzentrale zu fragen. Durch den Dunstschleier der Enttäuschung, der noch immer über den Häuptern der A-Gruppe hing, sahen sie verschwommen den, wenn auch nicht vernichteten, so doch schwer angeschlagenen Hultin an seinem Tisch sitzen. Er drehte unablässig eine abgebrochene Bleistiftspitze zwischen den Fingern und sagte bitter: »Die Frage ist ganz einfach: Hat Viktor X tatsächlich die nötigen Ressourcen und Kontakte innerhalb des schwedischen Rechtswesens, um Brjusov so locker rauszuhauen? Und was steht uns noch bevor?«
Die Kollegen der A-Gruppe bemühten sich, die Stockholmer Polizei zu entlasten, wo es nur ging, und übernahmen die nächtliche Überwachung der Aufsichtsratsmitglieder des Lo-visedal-Konzerns von 1991 größtenteils selbst.
Hjelm hatte eine Nacht bei einem Mann mit Namen Bertilsson verbracht und eine andere bei einem Mann namens Schrödenius. Dazwischen hatte er sogar ein paar Nächte in Norsborg geschlafen.
Er hatte keinerlei Kontakt mit Cilla in ihrem Dalarö-Häuschen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Rätsel um ihr Benehmen fürs erste ungelöst zu lassen. Es wäre äußerst falsch, sich jetzt aufzudrängen. Er hatte ihre Einsamkeit gesehen.
Danne und Tova lebten ihr eigenes Leben, Danne hauptsächlich in seinem Zimmer, Tova die meiste Zeit bei ihrer Freundin Milla, deren Eltern Hjelm zwar zugesagt hatten, sich um sie zu kümmern, ihn aber gleichzeitig, so kam es ihm jedenfalls vor, mit vorwurfsvollen Blicken bedachten. Er füllte die Tiefkühltruhe auf und fragte sich, wem hier eigentlich was vorgeworfen werden konnte.
Tova meinte, der Pickel auf seiner Wange sähe aus wie ein astrologisches Zeichen, doch dummerweise fiel ihr nicht ein, welches. Erst am nächsten Morgen, als er schon halb aus der Tür war, sagte sie, es sei das Zeichen für Pluto, ein P mit einem waagerechten Strich unter dem senkrechten Balken. Als er wissen wollte, was das Zeichen bedeutete, antwortete sie gutgelaunt, dass sie keine Ahnung habe.
»Kommst du zur Schulabschlussfeier?« fragte sie im gleichen Atemzug. »Mama kommt auch.«
»Ich werd’s versuchen«, sagte er und spürte den Stich.
Auf der Fahrt in die Stadt dachte er darüber nach, was Tova wohl mit Pluto verband: einen niedlichen Disney-Hund, den sonnenfernsten Planeten unseres Sonnensystems oder einen archaischen Herrscher der Unterwelt?
Als er das Büro betrat, hatte Chavez den Computer noch nicht eingeschaltet. Das war ungewöhnlich. Er saß mit einer Kaffeemühle auf den Knien auf seinem Stuhl und
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