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Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Schweden?«
    Söderstedt gab seinen Widerstand auf und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen.
    »Warum Schweden, ist einfach zu beantworten: In Finnland hatte ich meinen Stempel weg, mein Name war allseits bekannt. Ich war der junge Karriereanwalt, der die Mitbürger mit den dicksten Brieftaschen aus den schlimmsten Klemmen rettete. In Finnland hätte ich kein Bein mehr auf den Boden bekommen.«
    Er machte eine kurze Pause, in der er Hjelm ansah. Hjelm hatte den mageren Finnen noch nie zuvor so ernst erlebt. Söderstedt schnitt eine Grimasse und fuhr fort.
    »Warum Polizist, ist schwieriger zu beantworten. 1980 war ich 27 Jahre alt und gerade Teilhaber der Kanzlei geworden. Koivonen, Krantz & Söderstedt. Wahnsinn. Alles, was ich mir in meinem kurzen, zielstrebigen Leben vorgenommen hatte, hatte ich erreicht. Und dann wurde mir der Fall eines richtig üblen Verbrechers übertragen. Das an sich war nichts Neues, solche Leute verteidigte ich ständig. Aber mit dem Kerl hatte ich mich übernommen. Hinter der respektablen Fassade dieses Mandanten liefen die widerwärtigsten Geschäfte ab, die man sich vorstellen kann: eine Art Frischfleisch-Sklavenhandel, unbeschreiblich. In das abgeriegelte Finnland, in das fast keine Einwanderer kamen, ergoss sich plötzlich ein reißender Strom drogenabhängiger Asiatinnen, die auf Auktionen versteigert wurden. Natürlich habe ich ihn rausgehauen, so dass er weiter seinen Geschäften nachgehen konnte. Aber in mir drin ist was zerbrochen. Dieser korrekte Mensch mit seiner tadellosen Fassade und seiner maßlosen Verachtung für Menschenleben eröffnete mir einen Ausblick auf meine Zukunft. Die ganze Scheiße brach über mir zusammen. Ich hab mich mit meiner Familie nach Schweden abgesetzt, hab die schwedische Staatsbürgerschaft angenommen und bin sozusagen untergetaucht. Es folgten ein paar lausige Jahre, ehe ich mich entschied, Polizist zu werden, wahrscheinlich, weil ich mir einbildete, das System von innen heraus verändern zu können; das System, das ich in seiner Ganzheit gesehen zu haben glaubte. Aber wie wir wissen, lassen sich die Dinge nicht von innen heraus verändern. In Stockholm galt ich schnell als unbequemer Bulle, ich bin dann nach Västeräs versetzt worden und dort hängengeblieben. Man könnte fast sagen, dass ich ein zweites Mal abgetaucht bin, die Polizeiarbeit wurde zur Routine, ich habe mir eine große Familie zugelegt und alles gelesen, was ich in die Hände bekam, statt großartig viel Kraft in meinen Job zu investieren. Auf irgendeine Weise hat Hultin mich ausgegraben, frag mich nicht, wie. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
    Söderstedt erhob sich. Ob erleichtert oder beschwert, war nicht zu erkennen.
    Er hatte vor Hjelms Augen eine vollständige Wandlung durchgemacht. Von dem finnischen Clown war nichts mehr übrig. Da stand ein Mann, der die Konsequenzen aus einer moralischen Entscheidung gezogen hatte, der auf ein Millioneneinkommen verzichtet und seinen Idealen Land, Sprache und Leben geopfert hatte. Alle Achtung, dachte Hjelm.
    »Wer als letzter am Auto ist, ist ein Frosch ohne Beine«, rief Söderstedt und rannte los.
    Jacob Lidner, Aufsichtsratsvorsitzender von Lovisedal, hielt sich am sonnigen Vormittag des zwanzigsten Mai in seinem Haus auf Lidingö auf. Jan-Olov Hultin parkte seinen Volvo Turbo vor der prächtigen Villa und drückte die Klingel, deren schriller Klang mit Verzögerung durch sämtliche Zimmer der Villa bis in den Garten weitergeleitet wurde. Gleich darauf bog Lidner um die Hausecke. Ein imposanter älterer Herr mit majestätischem Blick, bekleidet mit einem weißen Morgenmantel, auf dem ein Monogramm prangte. Seine Silbermähne war zerzaust, als wäre er gerade der Badewanne entstiegen. Als er näher kam, stellte Hultin fest, dass er nach Chlor roch.
    »Hören Sie endlich auf, mich zu belästigen«, fuhr er Hultin an. »Ich habe genug von euch Schmierfinken. Ich bin ein ganz gewöhnlicher Pensionär, der in aller Ruhe auf seinen Tod wartet. Liegen Sie mir nicht weiter wegen der Turbulenzen im Aufsichtsrat in den Ohren. Ich weiß, dass ihr euch um jeden Preis Zugang zum Aufsichtsrat verschaffen wollt, aber bei mir habt ihr keine Chance.«
    Endlich eine Atempause.
    »Sehe ich etwa aus wie ein Journalist?« fragte Hultin und setzte seine halbrunde Lesebrille auf.
    »Und ob«, sagte Lidner und musterte ihn mit gewissem Interesse. »Aber Sie sind keiner, stimmt’s?«
    »Darf ich mich vorstellen: Kommissar Jan-Olov Hultin. Ich leite

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