Misterioso
mahlte Kaffee.
»Bald ist Juni«, sagte er träge.
»Hattest du Pläne für den Sommer, die jetzt auf Eis liegen?« fragte Hjelm und setzte sich.
»Schön wär’s.« Chavez schaute zu dem kleinen Bürofenster, in dessen oberer rechter Ecke ein Stück blauer Himmel zu sehen war. Plötzlich fiel ihm etwas ein. »Ach ja«, sagte er und strengte seine noch nicht ganz dienstwilligen Hirnzellen an. »Da hat irgendein Typ angerufen. Er wollte sich noch mal melden.«
»Wer?«
»Keine Ahnung. Hab vergessen zu fragen.«
Hjelm verkniff sich einen Kommentar. »Wie hat er sich angehört?«
»Wie ein Göteborger, glaube ich.«
»Ah«, sagte Hjelm hoffnungsvoll. Er gab eine lange Nummer ein und wartete.
»Hackzeil?« brüllte er in den Hörer. »Hjelm hier.«
»Mir ist was eingefallen.« Roger Hackzells Stimme aus dem Hackat und Malet in Växjö war vor lauter Rauschen kaum zu verstehen. »Vor ein paar Jahren ist was passiert, als ich die Jazzmusik gespielt habe.«
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, sagte Hjelm, schon halb auf dem Flur. »Ich komme.« Chavez rief er zu: »Sag Hultin, dass Kerstin und ich in Växjö sind. Wir melden uns.«
»Warte!« brüllte Chavez hinter ihm her.
Hjelm rannte zum Raum 303 und riss die Tür auf. Gunnar Nyberg und Kerstin Holm sangen gerade etwas, das wie ein gregorianisches Kirchenlied klang. Er starrte die beiden verdutzt an. Sie sangen weiter, als hätten sie ihn gar nicht bemerkt. Gleich darauf stand Chavez auch in der Tür und starrte genauso erstaunt auf das sich ihm bietende Schauspiel. Als die Sänger fertig waren, applaudierten Hjelm und Chavez heftig.
»Ich glaube, wir haben mit der Kassette einen Treffer gelandet. In Växjö. Kommst du mit?«
Kerstin Holm sah ihn wortlos an und zog ihre kurze, schwarze Lederjacke über.
»Habt ihr noch einen Platz für mich?« fragte Chavez.
Zu dritt flogen sie nach Växjö. Dass Jorge dabei war, machte jedes intimere Gespräch zwischen Paul und Kerstin unmöglich. Was keinem von beiden ungelegen kam. Wieder dieser konzentrierte Tunnelblick.
Roger Hackzell stand hinter der Theke. Das Hackat und Malet hatte gerade für die ersten Mittagsgäste geöffnet. Es war kurz nach elf.
Hackzell führte sie in sein Büro und überließ die Gäste einer einsamen Kellnerin. Aus den Lautsprechern im Büro schallte Misterioso. Hackzell schaltete den Kassettenrecorder, der auf Repeat eingestellt war, aus.
»Also«, begann er, während er sie mit einer einladenden Geste aufforderte, sich auf das Sofa zu setzen. »Tagelang ließ mich das Gefühl nicht los, dass es mit diesem Stück irgend etwas auf sich hat. Ich habe es mir immer wieder angehört. Wie ein Besessener. Und plötzlich ist es mir wieder eingefallen. Es war vor ein paar Jahren, ziemlich spät nachts. Wir hatten uns seit einem knappen Jahr in der Stadt gehalten und waren die einzige Kneipe, die bis um drei Uhr nachts geöffnet hatte. Ab und zu gab’s Ärger, weil sich natürlich alle Nachtschwärmer hier trafen. Später haben sie uns die Zeiten beschränkt, jetzt schließen wir schon um Mitternacht. In der Nacht jedenfalls war ziemlich wenig los, zwei Typen waren noch da, und ich wollte eigentlich dichtmachten. Aber einer der beiden, Anton, ein Schrank von einem Kerl, wollte unbedingt noch mal die Jazzmusik hören, die ich kurz vorher gespielt hatte. Er rastete fast aus, als ich sagte, dass ich schließen wollte, bekam einen richtig wilden Blick. Also legte ich noch mal Jazz auf. Ich bin ziemlich sicher, dass es genau dieses Stück war. Da brüllte Anton plötzlich los, stürzte sich auf den anderen Typ und verpasste ihm einen Schlag nach dem anderen. Jetzt erinnere ich mich wieder ganz deutlich. Es war furchtbar, er schrie immer das gleiche, die ganze Zeit, ich weiß nicht mehr, was, es war so undeutlich, er war voll wie zehn nackte Neger, und ich hatte einen Heidenschiss. Zuerst ein paar Schläge in den Magen, dann ein Tritt gegen die Kniescheibe und einer in den Schritt und dann einer direkt auf die Fresse, dass die Zähne nur so flogen. Der Typ ging zu Boden, aber Anton bearbeitete ihn weiter mit Tritten. Der Kerl am Boden war die ganze Zeit bei Bewusstsein und guckte Anton nur verwundert an. Als Anton zu einem richtig brutalen Tritt ausholte, hab ich losgebrüllt, was Anton zumindest vom Zutreten abgehalten hat. Statt dessen schnappte er sich eine Flasche, schleuderte sie gegen die Wand und machte sich davon. Ich hab dem Typ erst mal auf die Beine geholfen, er war völlig durch
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