Misterioso
paar Meter nach vorn. Etwa ein Dutzend kleinere Boote ritten wie unterschiedlich große Punkte auf Neptuns Schultern über den Stora Värtan.
»Eine schreckliche Geschichte«, wiederholte der Mann mit dem Käppi. »Und gleich zwei unserer vornehmsten Mitglieder. Wenn man nicht mal mehr in seinem eigenen Zuhause sicher sein kann, was bleibt einem dann noch? Muss inzwischen jeder anständige Mensch einen Wachdienst engagieren, oder was?«
Hjelm und der Mann standen auf einem der sechs langen, parallel angelegten Stege, die sich vom Ufer bis zu den Wellenbrechern erstreckten, die Viggbyholms Yachthafen einrahmten. Es lagen erst wenige Boote im Wasser, aber an Land herrschte fiebrige Aktivität, die Boote vor der Segelsaison auf Vordermann zu bringen. Leute hantierten herum, und von kreischenden Schleifmaschinen ging der schwere, beißende Geruch von Epoxidharz und Firnis aus.
»Hier hätte also Bernhard Strand-Juléns Boot liegen sollen?« fragte Hjelm und zeigte ins Wasser.
»Ja, und Daggfeldts da drüben, an Steg drei. Es ist noch etwas zu früh, sie ins Wasser zu lassen. Ich muss schon sagen, dass es mir einen Schock versetzt hat, als ich heute morgen die Zeitung aufschlug.«
»Mir auch«, sagte Hjelm.
»Was für Schlagzeilen! Stimmt es, dass ein sizilianischer Mafiaboss dahintersteckt, der die gesamte schwedische Wirtschaftselite ausradieren will? Oder, wie in der anderen Zeitung stand, dass die Baader-Meinhof wiederauferstanden ist? Das klingt doch wirklich unglaublich. Und was macht die Polizei?«
»Das«, sagte Hjelm und ging Richtung Land.
»Na ja, das sollte keine Kritik sein.« Der Mann wand sich ein wenig. »Was ich sagen wollte, war: Was kann die Polizei gegen solche Kräfte ausrichten?«
»Das«, wiederholte Hjelm.
Sie begaben sich zu dem imposanten Klubhaus im Hamnvägen. Der Mann zeigte Hjelm das Büro. Setzte sich hinter den Schreibtisch, war offensichtlich mit den Gedanken woanders. Er nahm einen Brieföffner zur Hand und schlitzte einen Brief auf. Hjelm räusperte sich.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Mann und legte Brieföffner und Brief beiseite. »Ich fühle mich nicht besonders gut.«
»Sie kannten die beiden persönlich?«
»Na ja, so, wie man seine Mitglieder halt kennt. Man tauscht sich ein wenig über Boote und Segelflächen aus, plaudert über die Windverhältnisse und die Wetterprognosen. Solche Dinge.«
»Kannten sich die beiden? Haben sie hier im Klub miteinander verkehrt?«
»Das kann ich nicht sagen. Sie waren extrem unterschiedliche Schiffer, daher denke ich, nein. Daggfeldt war ein Familiensegler, ist nie ohne Ninni und die Kinder mit der ›Maxi‹ rausgefahren. Die älteste Tochter, sie dürfte so um die achtzehn, neunzehn sein, fand es wohl schon ein wenig langweilig, wenn ich mich richtig erinnere, und der Junge, der ein paar Jahre jünger ist, war offenbar auch nicht gerade begeistert. Und Ninni wurde schon auf dem Steg seekrank. Trotzdem war sie immer fröhlich und enthusiastisch. Gesund, aber seekrank, sagte Daggfeldt gern und lachte sich kaputt. Es lag ihm ungeheuer viel daran, seine Familie dabeizuhaben. Das waren wahrscheinlich die einzigen Gelegenheiten, wo sie Zeit füreinander hatten. Obwohl es manchmal auch ganz schön heiß herging zwischen den Schären. Wie ich gehört habe.«
Hjelm wunderte sich, wie viel aus so einer kleinen Plauderei über Gewässer und Wetterprognosen rauszuholen war. »Und Strand-Julén?« fragte er, um die Glut noch ein wenig anzufachen.
»Der war ein ganz anderes Kaliber. Ein durch und durch ernsthafter Segler. Er hatte die etwas kleinere Ausführung eines Swan-Bootes, das kam in einem Yachthafen gerade noch unter. Er hatte immer eine professionelle Besatzung, zwei oder drei junge Burschen mit einer Ausrüstung vom Feinsten, jedes Mal andere. Nagelneue Kleider der teuersten Marke.«
»Jedes Mal andere?«
»Eine andere Besatzung, meine ich. Extrem durchtrainiert. Die verstanden ihr Handwerk, o ja, das waren Typen, wie sie beim Whitbread Round the World Race mitmachen, um ein Beispiel zu nennen. Nur jünger. Sie sahen alle irgendwie gleich aus, wie Schwimmer.«
»In diesem Fall: sehr jung, sehr blond, sehr braungebrannt? Und jedes Mal mit völlig neuer Garderobe?«
Der Mann blinzelte ein paar Mal und rümpfte aus unerfindlichen Gründen die Nase. Wahrscheinlich über seine eigene Schwatzhaftigkeit. Eine etwas übertriebene Reaktion, wenn es nur das war. Hier ist offenbar noch mehr zu holen, dachte Hjelm. Nur weiter.
»Also
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