Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Misterioso

Misterioso

Titel: Misterioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
den ein Mörder eigentlich im voraus kennen musste, um ihn meistern zu können. An der hinteren Wand vor dem Fenster stand ein Ecksofa. Hjelm ging zurück in die Halle, wo Rickard Franzén bereits fertig angekleidet auf ihn wartete. Er machte einen sehr zielstrebigen, beinahe enthusiastischen Eindruck.
    »Haben Sie sich ein Bild vom möglichen Tatort gemacht?« fragte er mit einem Lächeln.
    Dann umarmte er seine Frau und ging vor Hjelm her zum Wagen, bereit für ein einmaliges, ersehntes Comeback in der Rechtsmaschinerie.
    Die Sonne schien noch immer.
    Wie bei ihrem ersten Treffen betrat Jan-Olov Hultin den Raum, den Jorge Chavez ironisch »Kampfleitzentrale« nannte, durch jene mysteriöse Tür im Hintergrund. Die Lesebrille mit den halbrunden Gläsern klemmte bereits auf seiner Nase. Er wandte sich an die versammelte A-Gruppe, deren Mitglieder dasaßen und in ihren Unterlagen und Notizbüchern blätterten.
     

9
     
    »Heute morgen ist es nun also publik gemacht worden«, sagte Hultin bitter. »Und auch noch in allen Zeitungen gleichzeitig. Irgend jemand hat die Information gestreut. Oder aber es gibt so etwas wie eine selbstverständliche Zusammenarbeit aller Medien untereinander. Wir haben die undichte Stelle noch nicht lokalisieren können. Vielleicht ist es auch einfach unmöglich, eine derartige Sache geheim zu halten. Ein paar Tage Vorsprung hatten wir immerhin.«
    Er trat an die weiße Tafel, schraubte den Verschluss von einem Filzer und machte sich schussbereit. Der Stift war jetzt seine Dienstwaffe.
    »In euren A-Hirnen scheint heute morgen ja schon fieberhafte Aktivität geherrscht zu haben. Wollen wir doch mal sehen, was dabei herausgekommen ist. Norlander?«
    Viggo Norlander beugte sich über sein dunkelblaues Notizbuch und legte los: »Modus operandi. Vom FBI bis zum Sicherheitsdienst in Liechtenstein habe ich mit allen Kontakt aufgenommen und bin unendlich viele Male kreuz und quer durchs weltweite Telefonnetz geschickt worden. Drei heute aktive Gruppierungen wenden bei ihren Hinrichtungen konsequent Kopfschüsse an: in der Gangsterhochburg Chicago ein Nebenzweig der amerikanischen Mafia, dessen Boss Carponi heißt; ein halbverdorrter Ableger der Roten-Armee-Fraktion, Kommando Hans Kopff; sowie ein kleiner russischestnischer Verbrecherklan unter einem Herrn Viktor X, den man als Segment der russischen Mafia bezeichnen könnte, wenn diese Bezeichnung etwas nützt. In sämtlichen Fällen handelt es sich in erster Linie um Hinrichtungen von Verrätern beziehungsweise Spitzeln, und in keinem der Fälle sind zwei, will sagen, exakt zwei Schüsse vorgekommen. Das mit den exakt zwei Kopfschüssen habe ich nicht lokalisieren können. Ich werde weitersuchen.«
    »Danke, Viggo«, sagte Hultin. Er hatte eine Ecke der Tafel beschrieben. »Nyberg und die gemeinsamen Feinde?«
    Der imposante Gunnar Nyberg schien sich mit dem Stift in der rechten Pranke nicht recht wohl zu fühlen.
    »Offensichtlich eine Sackgasse«, hob er missgestimmt an. »Ich habe keine direkten gemeinsamen Feinde ausfindig machen können. Sie haben zwar beide an der Wirtschaftshochschule studiert, aber Strand-Julén war sieben Jahre älter, Überschneidungen in der Ausbildung, bei denen man nachhaken könnte, gibt es also nicht. Das sind üblicherweise die Abschnitte, in denen man sich Freunde und Feinde fürs Leben macht. Daggfeldt hat vor einigen Jahrzehnten einen Kollegen aus einem Unternehmen katapultiert, das sie gemeinsam unter dem Namen ContoLine gegründet hatten. Der Mann heißt Unkas Storm. Ich habe ihn in einer kleinen Schrottfirma in Bandhagen gefunden, stark alkoholisiert. Er hasst Daggfeldt bis heute aus ganzer Seele und würde gern ›auf seinem Grab tanzen‹, wie er sagte, als er von dem Mord erfuhr. Strand-Julén war ihm hingegen unbekannt. Letzterer hat eine Exfrau, Johanna, die nach der Scheidung 1972 vollkommen mittellos dastand. Ich hab noch nie jemanden erlebt, der so voller Hass war, wobei es sich um einen rein persönlichen Hass handelt. Sie gab ihrer Hoffnung Ausdruck, ich zitiere wieder, ›seine Leber fressen zu können, ehe das Aas eingeäschert wird, obwohl man ihn eigentlich zu Lebzeiten hätte verbrennen sollen, damit er spürt, wie die Flammen sich über sein Fleisch hermachen‹ Ich habe mit den mehr oder weniger trauernden Familien gesprochen und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Daggfeldt trotz allem derjenige ist, dem mehr Tränen nachgeweint werden. Sowohl der siebzehnjährige Sohn Marcus als auch die

Weitere Kostenlose Bücher